Das Mysterium des Lebens
- Thomas Hopfgartner
- 22. Apr. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 21. Juli 2021
Ich wandere regelmäßig an den Stränden des Pazifiks entlang. Oft kilometerweit.
Meistens wilde Gegend, immer vom Rauschen und Schlagen der hereinbrechenden Wellen begleitet. Barfuß im Sand, den einen Fuß vor den anderen setzend.
Heute geriet ich dann plötzlich in eine Gruppe von Menschen die Schildkröten-Jungen sozusagen auf die Beine halfen. Zwei puddelten das Nest aus. Sobald die Brut nach etwa zwei Monaten so weit ist, gibt es nur mehr eins, zuerst durch die Schale und dann ab in Richtung Wasser.
Die Mutter kommt nachts an den Strand, meistens dort wo sie selbst einst ins Leben startete und legt Dutzende Eier ab, die sie in einer Mulde eingräbt. Dann schleppt sich das erleichterte Weibchen wieder in sein Reich, das Meer. Ich weiß nicht ob sie hofft, dass mit den Eiern, den Jungen alles gut geht, so wie wir Menschen es tun, bei unseren Kindern.
Man sagt nämlich, dass von 1000 Jungen nur eines ins Erwachsenenalter kommt. Ganz genau kann man das nie wissen, aber der Gefahren für die Jungen sind viele. Und zwar eben gleich am ersten Tag, an dem sie aus der Grube krabbeln. Allein der Weg zum Wasser ist riskant, aber unumgänglich.
Sie haben scheinbar etwa Energie für eine Woche mitbekommen in ihren Körpern, ohne dass sie Nahrung brauchen. Das ist natürlich eine sehr sinnvolle Einrichtung zum Lebensstart.
Als ich dann meine erste, kleine Schildkröte in der Hand halte, merke ich leibhaftig wie lebendig diese kleine Kreatur ist. Unbändig schaufelt sie sich in Richtung Wasser durch den Sand, bis sie eine Welle holt. Ich merkte auch wie erstklassige Schwimmer sie sind. Sobald sie Wasser um sich haben schweben sie gekonnt dahin, herum und weiter.
Heute war die Strömung aber so, dass die kleinen, schwarzen Kreaturen immer wieder zurück an den Strand geschleudert wurden, und das Krabbeln in Richtung Wellen musste immer wieder von Neuem begonnen werden. Das braucht natürlich viel Kraft. Am Strand selbst lauern unter anderem Krebse die die Kleinen wegzerren und in ihre Höhle ziehen wollen.
Im letzten Moment konnte ich eine retten wie sie gerade noch am Höhleneingang eines Krebses war, der sie zu gerne hinuntergezogen hätte in sein Reich. Ich nahm sie auf und schmiss sie in die Fluten. Vielleicht lebt sie noch, vielleicht hat schon ein anderer Räuber zugeschlagen. Vielleicht wird sie trotz aller Gefahren erwachsen. Vielleicht paart sie sich dann nach einigen Jahren. Vielleicht kommt sie an diesen Strand zurück und legt viele Eier in eine warme Sandgrube ab.
Das ist das Wunder des Lebens, ein Mysterium, das immer um das Überleben kämpft und gewinnt. Nur wenn ganz, ganz viele ins Leben starten können, kommen einige an und werden alt. Die Natur hat alles so eingerichtet, dass es unfassbaren, ständigen Reichtum gibt. Auch ständige Schicksale, die wir einmal besser, einmal weniger gut verstehen wollen und können. Wir sind ja selbst oft auf einer Reise die nicht immer völlig klare Strukturen aufweist.

Das Schildkröten-Junge folgt seinem Instinkt und will nur eins - ins Wasser - ins Meer
Nur durch das Beobachten der Natur und dem Wissen als Mensch ein Teil davon zu sein fühlt man sich geborgen in einem Kreislauf in den man selbst hineingeboren wurde. Wie viel Zufälle und Glück hat es gebraucht, dass wir jetzt da sind, du, ich?
Wenn ich mir das verdeutliche, dann schätze ich das Leben umso mehr. Mein Leben ist ein Geschenk, jeden Tag neu. Jeder Tag ist ein Mysterium, eine Chance die Welt zu erfassen, zu begreifen, zu schätzen, zu verstehen, sich zu wundern, zu danken.
Mir gelingt das am besten wenn ich einfach die Natur mit Muße beobachte.
Das ist immer eine Faszination.
Comments