top of page

Fischplatz am Atlantik

Seit Jahrhunderten ist hier die Stelle wo hinausgefahren wird auf den Atlantik und Fisch hereingeholt wird, an Land. Manchmal springt der Fisch auch schon von alleine einem hier am Strand vor die Füße. Wird an Land geschwemmt. Tot. In Vielzahl. Es stinkt. Nach Fisch. Nach Fischkadaver.

Afrika riecht. Nicht immer bekommt das der weißen Nase gut. Die ist oftmals verwöhnt von den Gerüchen nobler Einkaufstempel. Das Parfum hier ist ein anderes. Erdiger.


Ich bin kein Fischer. Mein Vater war leidenschaftlicher Jäger. Manchmal hat er auch mit bloßen Händen oder einem Nylonfaden einen einzelnen Fisch geschnappt. Ich nur als Bub mit meinen Freunden oder Cousins im Bergsee weit oben, im Hochsommer.


In den Netzen verhaken kann man sich hier auch leicht wenn man nur durchstrollt


Wenn ich etwas aus der Natur hole, ständig, das mich füttert, dann muss ich das unbedingt mit Respekt tun. Mit Respekt der Natur gegenüber. Wenn ich dem Meer immer wieder Fisch entnehme, sollte ich als Berufs- oder Überlebensfischer dies respektvoll und dankend tun. Bei den Jägern gibt es so einen Ehrenkodex der sich Waidgerechtigkeit nennt. Das lernt man als herangehender Jäger, spätestens aber vor der Prüfung. Ich weiß nicht wie das bei den Fischern ist, aber so etwas Ähnliches wie Waidgerechtigkeit sollte es dort unbedingt auch geben.


Und ich sollte teilen, und nicht nur in meinen Familien, sondern wenn möglich mit der ganzen Menschheitsfamilie. Jetzt kommt laute Musik, nein, Lärm aus den riesigen Boxen des sandigen Restaurants hier am Fischbudenstrand von Cap Skirring. Das ist Afrika, chaotisch, dreckig, brutal, laut, fröhlich, traurig, unfassbar.


In der Zwischenzeit steht ein Riesentablett mit Kaffee vor meinem Notizheft, auch unfassbar! Ich hab schon Kaffee bestellt, so ist es nicht. Nur in den letzten 5 Minuten glaubte ich nicht mehr, dass der noch kommt. Ob ich 'sucre' wolle wurde ich gefragt. Ich bejahe. Wahrscheinlich muss der jetzt noch bei einem Nachbarn gekauft werden.


Ich mixe mir das Nescafepulver, die Pulvermilch und den Zucker mit einem Esslöffel in einem hohen Glasbecher zurecht und auf. Zuerst bleibt der große Löffel fast stecken, jetzt tänzelt er. Es war zu viel Zucker. Ich gieße das übrige heiße Wasser aus der Kanne auf. Nun passt's.


Große Plastikkisten voll mit Fisch, oder eben entleerte werden auf den schwarzen Köpfen der Einheimischen unaufhörlich hin- und hergetragen. Zumindestens tagsüber. Wie viel hier nachts noch los ist, weiß ich nicht. Der Milchkaffee schmeckt gut!


Die Fischkutter sind schmal und länglich, sehr lang. Sie sind eigentlich alle aus Holz gebaut, aus heimischen. Man nennt sie hier Pirogen. Holz gibt's in dieser Gegend überall genug. Baobabs, Kapoks, beides mächtigste standortgebundene Lebewesen neben vielen anderen Bäumen und den so nützlichen Palmen aller Arten.


Die vergangenen zwei Wochen hatte ich in meinem Zimmer ständig die Tür offen. Nur ein Stoffvorhang fiel vor die Öffnung. Das Meeresrauschen war unaufhörlich zu vernehmen. Schön. Tolle Kulisse. Auch ist der Lichtsmog in dieser Fischer township doch so gering, dass man das Sternenzelt nächtlich wunderbar bestaunen kann. Neben den hellsten Fixsternen des Nachthimmels ist für mich der Orion immer DER Anziehungspunkt am Sternenmeereszelt schlechthin.


Business as usual an der Wasserkante


Adidas schlägt hier Nike und andere Marken. Das heißt die Fußball Nationalmannschaft Senegals trägt Adidas. Alles andere würde mich wundern. Die Senegalesen spielen einen Top Fußball. Ich beobachte das hier. Nicht nur trickreich, sondern auch schnell, mit scharfen Pässen und guten Distanzschüssen auf's Tor. Die Nationalmannschaft brachte es in der Vergangenheit bereits zu einem Semifinale einer Weltmeisterschaft. Das ist für ein afrikanisches Land schon absolut außergewöhnlich.


Hier in Westafrika ziemlich aufregend ist, wenn man das erste Mal Rinder am Strand sieht. Sie widerkauen direkt am Wasser. Man hat das Gefühl sie genießen genau wie wir,

die Menschen, die salzige Luft und die breeze an der Küste.


Die Fischerjungs bzw. Helfer haben hier Plastiklatzhosen und Jacken an, sogar auch Gummistiefel. Accessoiries die ich in Ostafrika so noch nicht gesehen hab' bei den Petrijüngern.


In Afrika ist das Fotografieren ein Problem. Ich habe noch kaum Fotos von Afrikanern in der Tasche. Du wirst sofort angemacht, wenn du das Handy positionierst. Musst sofort in response gehen. Meistens weil irgendjemand Dahergelaufener einfach Kohle will, das ist alles. Aber somit auch schon genug um ständig belästigt zu werden.


So findet sich dieses bunte Gewand, speziell der Frauen, diese farbenfrohen Kostüme kaum auf aktuellen Bildern von mir wieder.


Eine Flucht durch die Fischbuden nach vorne zum Wasser


PAPA IBRAHIM steht auf einer Längsseite einer bunten Piroge. Ja, der Mann hat hier eindeutig Hausrecht. Andere Religionen fristen dieserorts ein Außenseiter-Dasein. Obwohl Ibrahim bei den Christen Abraham ist und von daher derselbe Ursprungsvater an den man diesseits und jenseits von Mekka und Jerusalem glaubt.


Ich werde gleich zahlen und den Fischplatz wieder Richtung Zentrum verlassen. Vorbei an den Kühl-LKW's aus denen das geschmolzene Eiswasser in den trockenen Sand des Bodens rinnt und die Trockenheit vorübergehend benetzt mit Wasser das der Sand bindet und die nächste Windhose nicht, wie gleich daneben, aufwirbelt.



Ortswechsel: Am anderen Straßenende in Kabroussi südöstlich unmittelbar an der Grenze zu Guinea-Bissau. Hotel Antinobar. Das Meereswasser hat die betonierte Terassenfront offengelegt. Der verrostete Stahl kommt zu Tage wie das alte Skelett der Gletschermumie Ötzi.


Vor mir steht eine Flasche Sprite. Richtig dickes Glas wie ich es im Westen schon lange nicht mehr gesehen habe. Ich gieße die süße Limonade in mein hohes, schlankes Gefäß. Oben schwimmt eine Zitronenscheibe. Das Zeug ist klebrig süß fast wie der Kaffee am Vormittag. Ich hole mein Wasser aus dem Rucksack und strecke es damit auf. Jetzt ist es süffiger, verlängert, gestreckt. Wie unsere Mutter die Milch früher. Oh, da war aber Rumor wenn wir oder Vater ihr auf diese Schliche kamen.


Als ich am Vormittag mein Afro-Fischrestaurant verließ, tauchte ich noch einmal in dieses archaische Petrijüngerbusiness ein. Das ist richtiges Leben, quirlig, brodelnd, stinkend, geschäftigstes Treiben! Es berührt viele. Aber nicht alle zu jederzeit. Das Kleinkind der Fischhändlerin spielt im Schlamm. Der müde Fischergehilfe hängt im Plastiknetzball wie verlorene, vergessene Beute einer Maschinerie die längst eigendynamisch wurde und den Einzelnen mehr zum Opfer macht als zum Täter.


Dann beobachte ich noch die Fischtrockenanlage. Tausendfach ganze oder geteilte, aufgeschnittene Fischstücke laben im Sonnenlicht unter kiloweise Meeressalz das die Konservierung bescheren soll.


Trocknung des Fischs mit Sonne und Salz - Gott erhalt's


Immer wieder möchte ich ein gutes Foto machen, immer wieder verstecke ich mein Handy einmal mehr, einmal weniger geschickt. Wie bereits erwähnt, in Afrika wirst du umgehend auf Fotogeld angesprochen, direkt und nicht höflich. Somit sitzt du spontan in der Verteidigungssituation. Und das mag ich nicht.


Beim Eingang ins großflächige Fischerdorf hat sich eine Firma positioniert die rein 'glace' herstellt. Sie findet reißemden Absatz bei der Kühlung der oft auch nur halbtoten Meerestiere. Fischtrucks aus dem benachbarten Gambia, Banjul, Guinea-Bissau oder Guinea warten beladen zu werden mit der Ware die so viel gesunde Omega3 Fettsäuren in sich tragen soll. Ja in der Tat, Fisch ist lecker. Das Tollste ist dieser leichte Abgang. Fisch liegt normalerweise nie schwer im Magen.


Und doch, oder trotzdem ich esse normalerweise keinen Fisch, kein Tier, kein Fleisch. Fisch wird erstickt oder mit scharfen Angelhaken gefangen, dafür bin ich nicht. Es sind Lebewesen wie wir auch.


Fressen und gefressen werden, gewiss, das ist ein altbekannter Kreislauf. Doch der Mensch kann sich gut von Gemüse, Früchten, Getreide, also pflanzlicher, friedlicher Kost ernähren.


Oberster Grundsatz immer jedoch. Jeder kann tun was er möchte, solange er die Mitmenschen und die Natur achtet. Ich bin der Letzte der irgendjemanden etwas vorzuschreiben hat. Das ist nicht meine Aufgabe. Wohl aber sehe ich es als meine Aufgabe an, meine vielfach durch Lebenserfahrung gereiften Überzeugungen nicht geheim zu halten.


Jetzt am Nachmittag sind einige Frauen mit ihren Körben und Eimern am Wasser um Muschelreste einzusieben und einzusammeln. Wie Salzkegel häufen sie sich am Strand. Ohne Mama Afrika würde der ganze Laden nicht laufen, das ist feste Tatsache.


Nachmittagsarbeit am Meer - Frauen sind am Werk


Die Mondessichel ist äußerst schmal. Trotzdem, jeden Abend nimmt diese etwas zu. Die Ebben sind inzwischen weit draußen, der Mond zieht das Wasser hin und her über die Weltmeere, vereinfacht ausgedrückt. Vielmehr ist es die wechselseitige Beziehung des Planeten Erde mit seinem Trabanten Mond der die Kräfte spielen lässt.


Morgen verlasse ich Cap Skirring, am frühen Vormittag. So beginnt meine Reise aus dem Tropensommer in den Hochwinter der Alpen. Dieser Tausch ist jahreszeitenmäßig ein Kuhhandel, umgekehrt allerdings ein gutes Geschäft. Trotzdem diesen Winter werde ich auf der nördlichen Halbkugel verbringen. Warum auch nicht wieder einmal? Nach 8 Jahren.


Die beiden Kindern rechts sind mittendrin im Betrieb - mit ihrer Neugier:-))

Comments


bottom of page