Go, go, go! Ein Taxler ist gut drauf! Und ich?!
- Thomas Hopfgartner
- 12. Jan. 2022
- 12 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Jan. 2022
Was war das für eine Reise hierher nach Cap Skirring? Almost scaring! Verrückt allemal!
Da tingle ich mit dem Bus los in Toubab Dialaw gegen 4 am Nachmittag. Noch immer will mich die Sonne hier an der petite cote nicht richtig zwicken. Seit Tagen ständig wolkenverhangener Himmel. Das bin ich nicht gewohnt von Afrika! Laut Wettervorhersage ist das zwar keine Überraschung. Aber eben, das ist für mich nicht Afrika.
Der Bus hielt nicht bei jeder Milchkanne, wie ein Sprichwort heißt. Nein, er hielt allerdings sofort wenn einer der vielen Straßenrandpassanten mit dem kleinen Finger zuckte. Wohlgemerkt ohne dem Busfahrer anzeigen zu wollen, dass er zusteigen möchte.
Nach einer Viertelstunde werde ich unruhig. Das Benehmen des Chauffeurs und die zig Stopps machen mich richtig nervös. Zu lange ist die gesamte Strecke zum DSS, als dass ich mich so in Nonchalance üben könnte.
Dann holt der Mann auch noch Gäste ab der Hauptstraße als Extratour, ich koche. Natürlich ist das hier billig, 200 CFA zahle ich, aber es ist fatal wenn ich nicht rechtzeitg zum Flughafen komme. Dann beim dicken Baobab kreuzt eine weitere, breitere Straße, die ist jedoch zudem noch mit kräftig Verkehr und Stau bepackt.
'Oh Backe!', ich überlege hin und her, hüpfe endlich unruhigst vor Damniado aus dem Bus und versuche ein Taxi aufzuschnappen. Die einzige Chance noch gegen 17:20 oder 30 zum aeroporte zu gelangen, also 1h! vor Abflug nach Cap Skirring. Eine uralte Kiste mit gutgelauntem Fahrer konnte ich draußen recht rasch für meinen Notfallplan organisieren.
Verkehrsgewurrle, Menschenmassen, Stau, Chaos, Passanten und der fröhlicher Lenker teilt mir mit, er müsse halt nur noch tanken. Ich erwiderte ihm sinngemäß, guter Mann, das geht nicht, das geht sich nie und nimmer mehr aus, fahr' endlich zu und hör' auf mich mit deinen lustigen Witzen in bessere Laune bringen zu wollen, tu' einfach deinen Job!
Das sagte und dachte ich mir, beides. 'Go, go, go, go!'...rief ich ihm zu. Wäre 'Allez, allez, allez!', besser gewesen? Er fuhr zwar, aber mehr als stop and go war nicht drin. Der Senegalese nahm dann nicht die erste Tanke, jedoch die darauffolgende. Was sollte ich tun? Ruhig bleiben. Wieso? Ich verpasse doch gerade meinen noch gestern so glücklich erworbenen Flug!
Der gesamte Boxenstopp mit der Plastikflaschentankerei dauerte eh nicht lange, jedoch war wieder die andere Straßenseite zu erreichen, erneut kein erheblicher Weitergang.

Dieses Taxi hier wäre nicht schlechter gewesen - das Tanken hätten wir uns definitiv erspart
Der Taxler versuchte weiter für mich gerade unpassende Fröhlichkeiten loszuwerden und dann nahm er auch noch eine Route die um das ganze Flughafengelände herumführen würde. Ich teilte ihm mit, wenn du jetzt nicht die kürzeste Verbindung wählst ist alles für die Katz'! Seiner guten Laune tat das keinen Abbruch, meiner schlechten ebensowenig. So ging es weiter in einem Auto wo zwei Menschen mit krassen Gemütsunterschieden kauerten.
Ich gab die Hoffnung nicht auf wie durch ein Wunder den Flug doch noch zu erwischen. Was blieb mir auch übrig? Sollte ich den Glückspilz gleich wieder auf den Weg zurück schicken? Schlussendlich furhwerkte er seine alte Kiste noch die Abflugrampe hinauf. Er hatte meine Kohle jetzt in seiner Kralle und ich hatte es etwa 17:40 auf der Uhr, um 18:20 war Planabflug. Wenn das pünktlich erfolgte und ich nicht auf Kulanz stieß, konnte ich dieses Unternehmen abhaken.
Nun, beides trat nicht ein. Weder der Flug war unpünktlich oder eben verspätet, noch die nötige Kulanz mich doch noch in den Flieger zu lassen war seitens Air Senegal vorhanden. Sie waren flugtechnisch knallhart, obwohl ich leicht durchgekommen wäre von der Distanz her und dem Handling. Egal, mir wurde das Boarding verwehrt. Ich weiß nicht ganz genau, aber ich kann mich nicht an einen Flug erinnern den ich zeitlich verpasst hätte. Diesmal war's aber so, lieber Thomas! Didi Konstanini's Sager : 'Jo, des isch holt hetz amol asou!', traf zu, mein Humor war aber im Keller. Ich konnte darüber momentan weder lachen noch schmunzeln.
Gut, ich sah ein, die lassen mich nicht boarden, ich bettelte, es half nichts. Da jetzt keine Eile mehr geboten war, setzte ich mich hin und ging erst einmal auf die Toilette. Ich spülte meinen wohl aktuell giftigen Urin hinunter, einen Teil des Ärgers vielleicht auch.
Herauskommend fragte ich die Putzfrau ob hier am aeroport free Wifi sei. Sie bejahte. 'Und, ist es gut?', löcherte ich sie weiter. Sie darauf: 'Ja!' Ich war einigermaßen überrascht, setzte mich zu meinem Gepäck und loggte mich ein. Nein, das war nicht einmal nötig, keine lange Prozedur, einfach ohne Registrierung rein ins Netz. Das mag ich sowieso schon. Und dann die Verbindung selbst - fast! Tja, das war vielleicht das erste offensichtliche Wunder heute!

Mein Blick hinaus in die herannahende Dämmerung und den Carrier der mich nicht reinließ
Nun, so konnte ich erst einmal meine aktuelle Lage sortieren. Alternativ hätte ich morgen einen Flug nach Ziguinchor, am Vormittag angeboten bekommen, von Air Senegal. Aber ohne Sicherheit. Denn nur, wenn es einem Fluggast genauso ähnlich ginge wie mir gerade eben heute, dann würde ich als Standby Gast kurz vor knapp aufhüpfen können, einspringen sozusagen. Diese Möglichkeit war zwar nicht aussichtslos, aber hörte sich für mich mehr nach Harakiri und Abenteuer an. Flüge nach Cap Skirring wie meiner und andere nach Ziguinchor waren für die nächsten etwa 10 Tage ausgebucht. Die Überlandfahrt ist weit und führt um oder durch The Gambia. Und, da gibt's auch noch eine Fähre von Dakar nach Ziguinchor, ich checkte deren timetable. Heute war Dienstag Abend, die nächste ginge am Freitag abends und über Nacht. Etwas spät, hm?!
Nun gut, was tat ich?
Ich suchte erst einmal das Flughafenrestaurant auf, musste dazu raus aus dem Checkin Bereich. Was alles gut möglich war. Wozu brauche ich Megaflughäfen mit 50 Restaurants?
Da ist mir ein kleiner Hafen mit genau einem Restaurant wie hier, wesentlich lieber und dienlicher. Sogar noch freie Sitzplätze zu sehen, was für ein Segen! Ich checkte eine Miranda Limonade, das indische Pendat zu Fanta, für 1500 CFA. Das Zuckerwasser schmeckte so sehr nach der Aludose in der es aufbewahrt war, dass ich es fast weggoss. Ich streckte es mit Wasser. Jetzt ging's so recht und schlecht.
Dass hier wirklich tadelloses Internet war ließ mich die ganze Situation leichter handeln. Ich denke mit Grauen zurück an Anfang August letzten Jahres als ich in PTY, Panama Flughafen festhing unter ungleich schwereren Umständen.
Nun, wollte ich wirklich wieder eine Nacht, also um einiges mehr als 12 h hier verbringen?? Gut, erstens würde der aeroport über Nacht nicht zugesperrt, das ginge. Zweitens würde es nicht schweinekalt werden, mit anderen Worten, temperaturmäßig aushaltbar. Andererseits peinigten mich die Gedanken an andere erlebte, nein, durchlittene Flughafennächte. Sie marterten mich regelrecht.
Ich musste mich ja nicht in der Sekunde entscheiden. Riesenvorteil bei einer Nacht hier, ich wäre (über) pünktlich zum eventuellen Flug gegen 10 Uhr morgen vor Ort und hätte außerdem keinen Taxistress, auch keine Kosten. Oh ja, und zusätzlich eine Gratisnacht on top. Hier irgendwo zwischen altem Gestühl und schäbigen, harten Boden.
Wieder andererseits musste ich die Fähre in den Südosten einkalkulieren, sie schien mir momentan die sicherste Variante. Sie sollte doch etwa nicht ausgebucht sein?
2002 ereignete sich genau auf dieser Verbindung eine Megakatastrophe als die Fähre mit vielen Menschen (etwa 2000) sank, ein schreckliches Ereignis.
Und die Überlandverbindung auf der Straße stieß eigentlich nicht wirklich in mein Vorderhirn, zu umständlich, zu lang, zu strapaziös.
'sleepinginairports' diese Internetseite musste ich also diesmal nicht bemühen, war ja bereits vor Ort und konnte mit einem Augenschwenk überblicken wo man sich hier eventuell aufhalten könnte.
Wieder ein Schluck aus meiner Miranda, die ich an und für sich nicht ungern mag, aber heute hat das orangeliche Sprudelwasser einen fahlen, bleiigen Beigeschmack. Vielleicht vermochte dieses Kohlensäuregesöff trotzdem die ein oder andere Synapse in meinem Hirn zu öffnen und durchfluten? Willkommen wär sowas!

Im einzigen Restaurant des Flughafens
Also, ich ärgerte mich schon ziemlich, so ist das nicht. Stammt nicht zuletzt von mir das Sprichwort: 'An Flughäfen kannst du nur zu spät sein, niemlas zu früh!' Der Grund des Verpassens meiner Maschine war schlicht ein schlechtes Timing meinerseits. Ich war einfach zu spät in Toubab Dialaw losgezogen. Dass dann noch ein stotternder Bus und ein gut gelaunter Taxifahrer hinzukam, der seine Kiste erst noch tanken musste und einen Umweg fuhr, ja solche Dinge passieren nun mal in unseren Leben.
Andererseits hatte ich den Flug erst am Vortag gekauft und hatte diesen so überraschend erhalten, denn vorerst schien alles sehr ausgebucht, immerhin, wir stehen in der Weihnachtszeit. 'Rien ne va plus!'
Ich biss in ein Baguette-Brot (Tapalapa) vom Frühstück.
Mein Schädel brummte nicht, aber er ratterte. Schlussendlich gebar ich die Idee, stand auf, packte meine Saques und stürmte aus dem Gate um ein Taxi zu erobern. Der Polizei Officer am Gate hatte umgehend sein Afrophone zur Hand um einen seines Clans mit dem Geschäft zu beauftragen. Nach einigen Minuten warten kam dann auch ein Vorbote und dann das 'la voiture' dazu, ein Kasten-Citroen. Der Schwarze wollte erst 20.000 XOF, ich gestand ihm genau die Hälfte zu, nach alter Afrohandelstradition.
Irgendwann willigte er ein, das ist meistens dann wenn man bereits abmarschiert. Es stellte sich heraus, dass der Chauffeur sein Vater war, im Moslemtalar und hinaus ging's aus dem Hafen. Der Sohn und Mittelsmann selbst verließ die Kiste noch in unmittelbarer Nähe, sein Vater suchte sich nun mit mir durch die Nacht und den Weg nach Damniando.
Tatsächlich fand er ihn auch, doch hatte er keine Ahnung wo dort die Busse nach Toubab Dialaw sein sollten. Der hohe, dürre, alte Mann fragte ungefähr 10 Leute bis wir im Wirrwarr an Routing, Menschen, Waren und Fahrzeugen bei so etwa den ältesten Karren des Marktplatzes angekommen waren. Diese führen scheinbar nach Toubab.
Natürlich musste wieder mit dem neuen Transport verhandelt werden. Worüber?
Na, klar, wir sind hier in AFRIKA. Über den PREIS!
Da ich den Talarbaba mit 10.000 eigentlich überzahlte, forderte ich 1000 von ihm zurück. Nach langem Hin-und Her gab er mir diese gar zurück, ein afrikanisches Wunder hatte sich ereignet, das zweite an diesem Abend?! Es hatte ihn wohl seine Integrität gepackt, sein Gewissen, denn der Preis war sehr, sehr gut für den Dienst den er zu erbringen hatte.
Ich fand mich hier im Leben wieder. Im afrikanischen, im wirklichen, in meinem.
Quirrliges Treiben, jede Menge Straßenverkäufer/street vendors, Chlochards, aller möglicher Schmarren wird feilgeboten, er wird unter deine Nase gehalten im wahrsten Sinne des Wortes. Ob du das Zeug willst oder nicht, ob du gerade mit etwas viel Wichtigerem beschäftigt bist oder nicht, das interessiert hier keinen. Allerdings die Situation ist auch riskant. Es ist Nacht, ich hab' zwei Gepäcksstücke am Körper, meine Wertsachen, relativ viel Bargeld, Pass, Scheckkarten. Ich bin allein wie meistens. Und muss in dem Gewühl den nächsten Transportdeal klarmachen. Als Weißer unter Hunderten Schwarzen in dunkler Nacht bist du ein gefundenes Fressen für Allesmögliche. Einerseits ist die Atmosphäre atemberaubend und faszinierend lebendig, andererseits an der Grenze zu gefühlter Sicherheit. Ein Cocktail der zu beiden Seiten ausschlagen kann. Jederzeit. Jeden Moment.
Was mir in diesen Augenblicken Kraft spendete waren die leckersten Mandarinen die zu diesem Zeitpunkt in Senegal herangereift waren. Weißt du, solche wo die faltige, orange Schale fast von alleine abfällt wenn du sie mit deiner Fingerzange öfffnest. Vom 5-er Pack blieben auf's Erste gerade zwei übrig. Drei verschwanden in meinem Schlund fast wie frischer Orangenjuice, der direkt in die Blutbahn überzugehen schien. Alles versickerte bis in meine pulsierenden Adern. Ich fühlte mich stark und der Situation zwar ausgesetzt, aber gewachsen. War ich doch andererseits so verloren hier in der afrikanischen Nacht.
Erneut zwängte ich mich meinen Arsch mitsamt Gepäck in einen uralten französischen Renault 21 oder so ähnlich. In Europa hatte das Ding vielleicht 200.000 km gemacht, hier aber noch vielleicht die nächsten 200.000 hinter sich. Man kann sich die Kiste nur vorstellen, wenn man Afrika kennt und weiß was hier am Kontinent Wirklichkeit ist.
Ich find das toll! Das ist nämlich echte Nachhaltigkeit. Nicht das wovon die ganze westliche Welt schwafelt. Ich finde das gut. Die Kiste wird geschätzt. Sie bringt täglich seit Jahren CFA/XOF, sie nährte schon unzählige Clans. Keine Sparbüchse, aber das Mittel zum Zweck für viele zu überleben.

Haltet Toubab Dialaw sauber, steht da auf einer Hauswand im Ort.
Wer nimmt das wirklich ernst?
Die Fahrt geht los. Im düsteren Scheinwerferlicht Richtung Toubab Dialaw. Ich kenne den Weg bei Tag. Das gibt doch ein wenig Selbstbewusstsein. Wir sind etwa 9 Leute in der alten Kiste. Die Nachtfahrt ist ok, der Fahrer ein dummer Macho, der nicht die klemmenden Türen öffnet wenn Fahrgäste rein oder rauswollen. Er hält sich scheinbar nicht dafür zuständig, nach dem Motto, auf sich selbst gestellt sei der Mitfahrer wenn er unbedingt mit mir mit will.
Später steigen vier Junge zu. Eine heiße Braut zwängt sich neben mich. Gertenschlank, gute Brust, annehmbares Parfüm. Die Nacht bekommt eine neue Note, zumindestens für die kommenden zehn Minuten. Die gemischte Clique hat westliche, oder nennen wir es amerikanisierte Weihnachtsgeschenke mit, wollen wohl zu einer angesagten Party und sind so schnell wieder aus der Karre verschwunden wie sie hereingeschneit kamen.
Die Dinge in Afrika sind faszinierend. Der Kontinent ohne Uhr und Zeit hat doch so viele Momente in sich, wo in Sekundenschnelle Dinge passieren die nur deine Intuition fassen kann. Du bleibst zurück, gefangen vom Erlebten, entweder du hast überlebt, dich gewundert, gefreut, oder, ausgelebt. Es passiert einfach. Afrika passiert.
Da bin ich doch tatsächlich um 10 pm herum zurück in meinem Hotel, äh Hostel!...und frage nach Herberge. In 'meinem' Dorm brennt jetzt Licht, ein schlechtes Zeichen. Der Manager teilt mir mit, die Gäste haben den Raum für sich gemietet, eine Gruppe. Ich könnte nur in einen großen, anderen Raum, oben, er will ihn mir zeigen.
Wir landen im zweiten Stock. Das Zimmer ist wirklich nicht klein, Ehebett, großes Bad, Schrank, alles sauber, AC. Der Preis dafür geht gut, ich stimme zu und, bin sehr, sehr bald in der Waagrechten. 'Rien ne va plus!'
Ich wache auf.
Liege diagonal in einem Ehebett.
Frische Baumwolllaken umwinden meinen Körper. Diese Nacht ist noch nicht ganz durch.
Ich schlief wie ein Stein.
Meine Uhr am Handy zeigt irgendwelchen digitalen Ziffern in der Düsterkeit des allzufrühen Morgens. Trotzdem, was mache ich? Ich nutze die sogar hier im zweiten Stock gute Internetverbindung der Herberge und schaue noch einmal, oder besser, wieder einmal auf meine skyscannner Flugapp. Wieder suche ich nach einem Flug von Dakar in die Casamance, wie bereits Stunden vorher. Weshalb eigentlich? Ich wolllte nicht glauben, dass ich gestern meine Jahrhundertchance aus eigenem Verschulden verpasste.
Nur, nicht alleine die Flugapp versicherte mir noch gestern, keine Chance, alles ausgebucht. Nein, auch die Bodencrews der beiden zuständigen Airlines teilten mir mit: 'Nichts geht mehr in die Casamance die kommenden 10 Tage.'
Neuer Morgen, neue Suche. Etwa auch neues Glück?
Was wirft es mir da vor die Augen? Einen Flug heute mit Air Senegal um 10:30 am nach Ziguinchor. Also genau der Alternativflug der mir gestern vorgeschlagen wurde, nur jetzt offensichtlich buchbar, heute, jetzt, hier.
Das was meine Augen nun sahen konnte ich eigentlich nicht wirklich glauben. Ich blickte auf meine westafrikanische Zeit, etwas vor 7am.
Ich dachte mir, wenn heute Plätze in der Maschine buchbar sind, in der ich für eine penalty no show fee von 15.000 XOF als Standby Passagier mitfliegen könnte, falls ein Gast nicht kommt, dann kann ich doch auch versuchen zum Flughafen zu eilen und als Standby sicher sein, dass ich mit von der Party in der Maschine bin.
Das alles machte für mich vorerst Sinn. Vorerst. Vielleicht hätte es auch so geklappt.
Ich wollte aber sicher kein neues Risiko suchen und buchte, bzw. zahlte diesen möglichen Flug jetzt neu. Keine Diskussion. Ich wollte sicherer sein bei meinem zweiten Flugversuch und nicht wieder als Alien im Nirwana des Flughafengeländes verschluckt werden. Ich wollte diesmal den Flughafen fliegend verlassen und nicht mit einem wie auch immer gelaunten Taxifahrer der sich über wenigstens 10.000 XOF von mir freut. Kopfkino im Flughafenrestaurant das brauchte ich heute nicht mehr, das hatte ich gestern, merci beaucoup!
Nachdem ich mein Tablet zugeklappt hatte war Volldampf angesagt, alles einpacken, aufräumen, Zähne putzen und raus hier. Die Stiegen hinunter mit meinen 2 Säcken und raus zum Tor. Es war zu. Genial.
Das ist was ich liebe. Irgendwo nicht raus können. Jetzt hatte das mit der kurzfristigen Flugbuchung so gut geklappt und nun soll alles daran scheitern, dass ich hier aus diesem Mimosa nicht rauskann? Alles ist möglich, mach mich bitte nicht verrückt!

Ich wollte bereits über die hohen Hausmauern des Hostels hinunterhüpfen und entfliehen. Doch bevor ich mir da vielleicht wehtat fand ich doch noch einen Staffmann der mir eine Seitentür aufschloss und ich entkam dem verschachteltem Bau. Schlussendlich saß ich bei dem Fahrer vom Bild hinten in seinem Taxi. Nichts gefrühstückt trug ich ihm auf bei Mandarinen zu halten. Das tat er irgendwann bei Diass auch. Die heutigen waren nicht mehr so saftig als die gestrigen. Mein Bauch war aber trotzdem wesentlich entspannter, denn das morgendliche Timing versprach, dass alles klappen müsste. Vor dem Depart 1 Gate stieg ich aus, zahlte und gab ihm noch eine Jeans von mir und einen Pulli. Er freute sich, ich mich auch. Ich war wieder am neuen Flughafen DSS von Dakar weit außerhalb vom Stadtzentrum.
Während sich meine Gedanken hier über diesen Bleistift auf vielliniertes, afrikanisches Papier den Weg in dynamische Schriftzeichen bahnen, die definitiv nicht jedermann entziffern kann, lehne ich im geräumigen Bad meines Bungalows in Kabroussi am Boden, denn Stuhl kennt dieses vieleckige Afroloft keinen. Dafür ist die Atmosphäre umso schummriger und stilsicher in Holz, Beton, Naturstein und überhaupt von Sträuchern, Bäumen umgeben im Kanon exotischer Vögel, die besser zusammentönen als die besten klassischen europäischen Musikgenies der Vergangenheit.
Heute ist übrigens der sogenannte Heilige Abend. So nennen Christen diesen Tag. Besonders die römisch katholischen. Für sie ist dieser Tag eine der besondersten des Jahreskreises. Vielleicht der Besondere, neben anderen hohen Festtagen im Kirchenkalender.
Genau eine weiße, recht schöne Bermudashorts aus einem feinen Leinen-Baumwollgemisch ist noch übriggeblieben zum Verschenken. Die werde ich gleich in meinen Sack packen und heute an die Frau des Tages bringen. Gerade gut für ein Heilg Abend Geschenk an einen Menschen der sich darüber erfreuen sollte. Chapeau, wie man inzwischen Neudeutsch sagt. Ich musste das Wort googeln, wollte genauer wissen was es heißt. In der Tat bedeutet es 'Hut', und zwar den man aus Respekt vor jemand anders zieht. So ähnlich also dieses aus dem Mittelalter stammende französische Vokabel, Redewendung, Gruß.
Es ist knapp nach Mittag und ich noch immer in meiner Buschhütte? Das ist komisch.
Ich muss raus.

'Fromager' nennt der eingewanderte Italiener sein Reich hier im Wald. Der Name ist der französische für die Kapok Bäume. Einer davon steht ganz links im Bild.
Inzwischen bin ich wieder zurück und vor meinem Buschbungalow. Es ist früher Morgen. Heilg Abend ist vorbei. Die ganze Nacht bis 6 Uhr füh war Lärm. Typisch afrikanisch. Heilig war diese Nacht irgendwie nicht sehr. Entweder es gibt Totenkrawall für einen Verstorbenen oder eben Partygedröhne, ohne Unterlass. So etwas hört selten vor 6, 7 auf. Das ist Afrika.
Abgelöst wurde dieser unnötige Lärm von einem traumhaften Konzert der heimischen Vögel in schier unfassbarer Vielfalt. Wie gut tut das denn?!
Verflogen der Ärger der stundenlangen Störung, wie weggezwitschert gibt dieses Naturerlebnis hier im Wald alle Energie wieder, die mir der Krawall entzogen hatte.
Der zweite Flugversuch in die Casamance hatte also schlussendlich geklappt. Ich war glücklich. Ich saß am Fenster und bewunderte wieder einmal die Welt von oben. Die Küste Senegals und Gambias ein optische Wohltat und gratis Bordleckerbissen. Da war ich dann ähnlich gut gelaunt wie mein Taxifahrer des ersten misslungenen Verusches. Oder?
Chapeau!
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