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Popi und andere Insulaner


Das Rauschen des Meeres schluckt die Getudelmusik hier in der Robinson Taverne leider nicht ganz. So hänge ich dazwischen, meine Beine auf dem Terassengeländer zeigen gegen Libyen, zumindest auf das gleichnamige Meer. Der starke Wind der gestern Nachmittag lostobte legt sich nur ganz allmählich. Meine Windfinder App erweist sich wieder einmal als beste Wetter-Windvorhersagequelle. Ein ägyptischer Arbeitskollege der für's Leben gerne surft hat sie mir vor fünf Jahren empfohlen. Wirklich gut diese Applikation bzw. Webseite wenn es sich um den Wind dreht oder auch andere Wettersachen.


Das ist gerade auf bergigen Inseln sehr nützlich, denn man findet meist irgendeine Windschattenseite auf Eilanden, wie auch hier auf Kreta. Wenn's zu arg ist muss man sich halt komplett in den Schutz einer Höhle begeben. Ich bin tatsächlich das erste Mal in Griechenland, diesem alten, zerfallenen Imperium - und finde es bisher sehr gut.


Gut ist auch Griechischer Salat - und wieso nicht gleich hier vor Ort in Kreta am Meer?


Der Mittelmeerraum ist ja schon seit Jahrhunderten oder -tausenden ein wonniger Ort mit vielen Kulturen, Geschichte und vor allem herrlichen Früchten. Das europäische Paradies sozusagen. Obst und Gemüse vom Feinsten, dazu viel Wein und Schafs-oder Ziegenkäse, was brauchten die alten Griechen und Römer mehr?


Ich weiß es nicht!

Fest steht nur, beide Völker waren mit ihren Reichen nicht begnügt und zufrieden genug und zogen hinaus um die Welt nicht nur zu erforschen, sondern sie sich auch einzuverleibnen und untertan zu machen. Mindestens die Welt rund um das Mittelmeer und das Schwarze Meer.

Heutzutage sind Griechenland als auch Italien nicht als reiche Länder bekannt. Das Gegenteil ist der Fall, jedenfalls unter europäischer Brille. Beide Länder hochverschuldet, kurz vor einem absoluten Staatskollaps und Totalbankrott.


So ist das mit Imperien. Zum einen gibt's den oft recht steilen Aufstieg, zum anderen bleibt der manchmal auch sehr tiefe Fall nicht aus. Sieht man von dieser einen Realität ab und blickt hinaus auf's Meer in Richtung Libyen, dann scheint jedoch alles in bester, immerwährender und alter Naturordnung.


Naturordnung?


Bisher wurde ich hier von den Kretern sehr freundlich behandelt. Ich weiß nicht ob es vor den zwei Coronajahren ganz gleich war. Ich habe das Gefühl man bemüht sich besonders um Gäste, mit bester Professionalität.


War heute morgen beim Friseur. Popi nennt sich der Haarschneidesalon. Zuerst fragte ich in einem kleinen Supermarkt an der Straße wo der nächste Coiffeur sei. Der Chef meinte freundlich, 200 m weiter, rechts, ein Scherensymbol sei dort zu sehen.

Das alles war dann so, ich parkte und schritt hinein. Eine kurze, untersetzte, füllige Lady hatte gerade zwei Kunden in ihren Sesseln platziert, vor fast obligatorischen großen Spiegeln.


Sie meinte, ja sie könne mir ihren Service anbieten. Ich fragte: 'Wann?' Sie erwiderte: 'In 15 Minuten.' Ich sagte zu, sie telefonierte und dann kam der Friseur, glaubte ich. In Wirklichkeit war der aber eine schlanke Frau, blond gefärbt, nett, zurückhaltend. Ich fragte sie ob sie Englisch könne. Sie antwortete: 'Yes!'


Nun gut, ihr Englisch war etwas besser als mein nicht vorhandenes Griechisch. Was aber wichtiger war, sie schnitt meisterlich gut und mit ruhiger Hand. Während des ganzen Dienstleisterbesuches dolmetschte ein einheimischer Klient mein Englisch in Einheimisch. Ein zuvorkommender und nicht weniger lustiger Typ. Er wurde bis weit hinauf total kahl geschoren, wie die kretischen Schafe jetzt im Herbst. Ich meinte: 'Du könntest das eigentlich auch selbst machen mit der Maschine!' Er meinte: 'Ja, eigentlich schon. Ich habe das schon so oft selbst gemacht.' Ich darauf: 'Ah, ok, lassen wir die Popi aber auch verdienen damit, dann haben mehr etwas davon!'


Zum Schluss schmiss sich der frischgestylte Mensch nicht ohne Stolz noch einmal genau vor meine Nase in den großen Spiegel und fragte mich wie ich seinen neuen Cut fände. 'Great, my friend!', antwortet ich. Bestätigt wandte er sich wieder seinem Telefon zu, sein Morgen war scheinbar gerettet und mindestens so gut wie meiner.


Bald darauf war auch ich neu geschoren, verließ die Einheimischen rund um Popi und suchte meinen vorerst Lieblingsstrand auf. Kiesel, abgeschliffene Steine in allen Größen, eine Wohltat und geniale Massage für meine Füße. Der Wind blies weiter, noch immer ordentlich, die Temperatur lag bei knapp 30 Grad, das Libysche Meer angenehm badewarm. So kann man eine Woche beginnen, dachte ich mir.



Blicke in die Ferne.

Auf's weite (Mittel-) Meer hinaus.

Der Horizont absolut flach.

Das Wasser schimmert im Sonnenlicht.

Eine Yacht ankert in der Bucht.

Kaum Wellen.

Mehr einem See gleich - das Meer.




Alles weiße Menschen herum. Und manche sind, obwohl der Sommer durch ist, wirklich immer noch jungfräulich weiß wie im Hochwinter.


Rote Weintrauben hängen am großen Rebbaum vor meinem Fenster. Sie verdorren langsam, weil sie von niemanden aufgelesen werden. Die Natur hat wieder einmal üppigst 'produziert'. eigentlich wollte ich im Elsass eine Weinlese mitmachen. Nachdem der August noch einmal feucht wurde war die Lesezeit im September dann wieder so verregnet, dass eine klassische Schönwetterernte nicht zu sehen war. Der Rest des Jahres war sehr, sehr trocken.


Hier auf Kreta geht jetzt die Granatapfelernte los, Trauben weiß und rot sowieso, als auch die zuckersüßen Feigen und Datteln werden geklaubt. Das Mittelmeer, wie bereits beschrieben, ein Eldorado der wonnigen Fruchtbarkeit.


Gerade taucht ein Latinotyp ins Wasser. Jetzt krault er Richtung Yacht. Sein üppiges Haar ist inzwischen nass wie das Fell eines Otters. Die blassen Körper werden von manchen Sonnenanbetern durchmischt. Die Dame, die ich gerade besonders damit meine, stochert mit ihrem Strohhalm in ihrem Orangencocktail. Die Sonne erfasst ihren Rücken, sodass ihre Brille stolz oberhalb der Stirn, am hellblond gefärbten, schwarzen Unterhaar stabil sitzen darf. Ihr Partner hockt ihr gegenüber ganz im Schatten einer Tamariske.


Der Kellner servierte ihm gerade wieder etwas, er kam durch den Kieselgrund schlendernd. Kellner sehen heutzutage teilweise aus wie Beachboys. Adidas - Sneaker, gelbes Teeshirt mit übergroßen Markenzeichen oder anderen Botschaften, kurze Hosen und verdammt wenig Spannung im Körper.

Der Himmel heute wieder sehr klar, blau, vom Nordwind her wie ausgewaschen und frisch gefegt. Hier In der Bucht allerdings merkt man ihn sowieso kaum.


Was ich auf den Kapverden im Juli bereits beobachtete ist hier ähnlich. Liegen sind aufgestellt und es wird nichts für ihren Dienst verlangt. Das wäre früher etwa an der Adria absolut undenkbar gewesen, auch heute noch.


Ein Schmetterling tanzt über die Rebzweige, Musik stört im Hintergrund gerade, es ist Hardrock, unmöglich, ist aber inklusive.

Die tiefbebräunte, blonde Schwarze isst jetzt zu Mittag. Ihre bereits erwähnten Sonnengläser sitzen nach wie vor wie nach vorne gestellte Lauscher eines Fuchses am erhabenen Haupt.

Nicht wenige trinken Bier. Und es ist nicht die 'Wiesn' hier. In der Mittagshitze ein Bier macht mich so kaputt, dass somit der ganze Tag im Eimer wäre, meiner halt. Der der Biertrinker ist hingegen vielleicht sogar gerade deshalb gerettet, zumindest geordnet. Ich lasse den Gerstensaft jetzt aber defintiv aus und versuche mich an einem griechischen Kaffee.


Trauben verdorren - niemand pflückt sie


Die lange, schwarze Shorts des Kellners trägt richtig groß das Nike-Logo am linken Hosenbein. Darüber schweben zwei!! Umhängetaschen um die undefinierte Hüfte, die prallvoll scheinen und seine Taille ganz verschwinden lassen.


Die Insulaner hier kredenzen ähnlich wie die Spanier ihre Tapas immer wieder so kleine Snacks, obwohl man sie gar nicht bestellt. Ein interessanter Brauch oder Unsitte? Oder keines von beiden?


Ich verschlucke mich, trockener Husten - die Yacht zieht ab nach Westen, weiter geht ihr 'dolce far niente' Bade-Genusstag am ruhigen, oberflächlich leeren Meer.

Richtung Westen zu ziehen ist auch mein weiterer Plan für den Tag, während das Treiben hier in der Bucht wohl noch etwas an Geschäftigkeit zunehmen wird - im Verlaufe dieses Nachmittages.


Ich denke Popi und ihre Angestellte haben inzwischen einige andere Insulaner bedient. Vielleicht auch einen weiteren Touristen?!



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