Warten - worauf eigentlich?
- Thomas Hopfgartner
- 17. Sept. 2022
- 8 Min. Lesezeit
Ich warte.
Worauf eigentlich?
Auf bessere Zeiten?
Die jetzigen sind aber doch immer die einzigen die wir haben. Somit sind sie auch die besten.
Wieder sitze ich hier auf eine grüne Holzparkbank am Plateau, dem erhöhten Zentrum Praias. In der Mitte ein großer, schöner kreisrunder Brunnen. Ein Vogel zwitschert wunderbar.
Der Brunnen ist trocken.
Leuchtend rot blühende Bäume durchbrechen das Grün der anderen angelegten Parksprösslinge. Vor dem Büro der CV Interihlas wieder Menschentrauben. So wie bereits am Freitag.
Meiner aktuellen Recherche nach gibt's Havarien mit einem Schiff, mit mehreren oder gar mit der ganzen Company die das Transportgeschäft zwischen den Inseln hier betreibt. Jedenfalls sind sie am Start nachdem die alte Gesellschaft gefeuert wurde oder so ähnlich. Schon wie am Freitag hab' ich so eine Wartenummer gelöst. Ob ich sie einlöse steht noch offen. Ab von dem chaotischen Fährbetrieb gibt's auch eine Fluggesellschaft namens bestfly, die die Inseln hier abfliegt. Natürlich um einiges teurer, und ich will sie mir zumindestens noch nicht leisten.
Mal sehen. Kommt Zeit kommt Rat heißt ein Sprichwort.
Wenn du dir nach oder in Afrika nicht Zeit mitnimmst, dann holt sie dich ein und holt sich sie. Bis du im lassez afare landest und nicht mehr aus den Seilen kommst, bis dich die Geschäftigkeit eines weiter nördlich liegenden Flughafens wieder vollends verschluckt.
Heute um 3 pm noch mit der fast ferry nach Fogo zu schippern gebe ich hiermit auf. Nur kein Stress. Was nicht geht, geht nicht und soll nicht sein.


Warten worauf? Jedenfalls, ich schleck' mein Eis!
Eigentlich wollte ich aber das andere Thema mit der Minibusfahrt noch beschreiben...
Und eigentlich ist es ganz gut, dass ich nach dem gestrigen Transfernachmittag heute somit keine neue Interinsularreise mehr angehe, sondern alles erst einmal sitzen lasse.
Gesessen bin ich gestern im Minibus. Um 13:11 blickte ich auf mein Handy, da nahm ich Platz im weißen Asienshuttle am Taxistand in Tarrafal. Zugegeben, ich erwartete mir am Sonntag von vorneherein keinen schnellen Transport in die Hauptstadt.
Ich saß als Erster im Kleinbus. Temperatur ok, alle Luken geöffnet. Wind durchflutet die Kiste.
Vielleicht saß ich eine halbe Stunde alleine drin, dann erschien der zweite Fahrgast. Eine Riesenfrau mit ebenso viel Gepäck. Vom Gemüt her eine sehr relaxte Person.
Vielleicht weitere 20 Minuten darauf erscheinen die nächsten Gäste am Horizont, ein U10 Mädchen und ihre Teenager-Schwester mit weißer Reisetasche und hohen Henkeln.
Inzwischen konnte ich glauben, dass es heute doch irgendwann losgehen könnte, genau in dieser Karre. Der Boy der schon mich bereits in sein Gefährt gelockt hatte, versuchte unentwegt im Umkreis des Taxistandes weitere Kunden zu finden. Für wahr, ich wollte nicht tauschen mit ihm, kein leichter Job an einem stinklangweiligen Sonntag -Nachmittag.
Jetzt kamen Männer dazu. Ein Vater mit seinem Buben. Der Mann telefonierte immer wieder überlaut bis er schließlich irgendwann auf der Strecke mit seinem Sohn das Fahrzeug verließ. Die Zwei saßen neben mir. Genau hinter mir nahm noch eine schüchterne Dame Platz, bei deren Mutter wir später noch weiteres Gepäck abholten. Genau vor ihrer Haustür versteht sich, in einer engen Gasse.
In der letzten Bank wo sie war türmte sich neben einem sehr hilfsbereiten Mann immer mehr Gepäck, das durch die Heckklappe gereicht wurde. Dann rückte ein Businessman in den Sitz genau hinter dem Fahrer. Nun kam eine große Madame mit zwei kleinen Söhnen. Die Frau sehr adrett, groß, Topfrisur a la Hochsteck plus vielen Taschen, eh klar. Sehr oft bezauberte sie verschiedene Mitmenschen mit einem ziemlich charmanten Lächeln. Der ältere Sohn mit etwa drei musste direkt vor ihre gespreitzten Beine sitzen, auf einer oder mehreren Gepäckstaschen drauf. Die Nummer Zwei, die mit dem Megahintern, war inzwischen auf den Copilotensitz geklommen.
Der Fahrgastsucher stellte sich langsam als Fahrer heraus und startete den Verbrennungsmotor des polierten, weißen Transporters. Die große Dame mit den zwei Söhnen glaubte es geht los, ich auch, und sie zog die Schiebetüre nach vorne. Der Fahrer aber öffnete sie darauf wieder von außen, also wohl doch Fehlalarm.

Kinder am tollen Strand von Tarrafal
Trotzdem, nach etwa 2 Stunden meines Taxiwartens!! bewegte sich der Transporter.
Nun war die übliche noch einmal Durch-das-Dorfrunde dran. Wie eine Labyrinthmaus tuckerten wir durch die Winkel des Zentrums, nicht etwa um unnötig Sprit zu vergeuden, nein! Um noch den einen oder anderen weiteren Fahrgast aufzuschnappen.
Noch auf der Hauptstraße hüpfte ein Endteenager herein mit Tasche und seinem verpackten Bodyboard, das er rechts neben sich direkt vor der Schiebetür aufstellte. Die Bubenmama musste bis zu diesem Zeitpunkt bereits unzählige Male ihre Taschen umräumen, damit sich alles ausging, neu justieren, und immer aufpassen, dass nichts hinausfliegt vom niederen Transporter.
Man weiß, in Afrika fährt ein Auto, Taxi, Bus ab wenn es, er voll ist, das ist Tatsache. Die einzige Frage die immer offen bleibt ist: 'Wann ist unser Gefährt denn wirklich voll?'
Wenn DU glaubst es ist proppevoll, kommt nicht vielleicht noch einer herein. Nein, das können auch noch fünf oder gar noch mehr sein, kein Scherz!
Am Turkana Lake saß ich etwa mittig vor dem Lenkrad. Ich hatte das Lenkrad fast direkt vor mir. Nicht ich aber lenkte das Ding, nein! Der Fahrer saß noch links von mir und steuerte das alte Toyotaauto. Zum Schalten hatte er seinen Arm ständig vor meiner Nase. Wie das Ganze doch irgendwie funktionierte kannst du nur nachvollziehen, wenn du selbst in der Karre als Gefangener drin warst.
Ich hab' eins gelernt in vielen Jahren Afrika. Du kannst nie wissen wenn etwas voll ist und die Reise losgeht. Der driver wird bis zum bitteren Ende der Tour alles versuchen um mehr als maximal Gäste, respektive Fahrgeld herauszubekommen mit seinem Deal. Glaub' aber bitte nicht, dass er für irgendetwas geradesteht bei einem Unfall.

Mamas Afrikas müssen viel erleiden und erdulden, seit vielen, vielen Jahren schon - weil für Kinder nicht noch extra bezahlt werden will und kann werden sie dorthin gequetscht wo's gerade noch geht
So war es auch an diesem von der Sonne verwöhnten Nachmittag auf der Insel Santiago.
Als wir das Nest dann wirklich endgültig verließen, kam es an den Stadttoren zu einem weiteren Halt. Die Madame musste sich, glaub' ich, erst zurechtmachen. Direkt vor ihrer Haustür wartete der ganze, volle Bus. Taschen wurden bereits in den Shuttle geräumt. Die Mama mit den zwei Söhnen musste wieder einmal Gepäck umschichten, damit alles wieder neu passend wäre.
Jetzt dachte ich mir, ich geh' den Fahrer an mit: 'Ich oder wir haben bereits 2 Stunden gewartet bis zur Abfahrt. Entweder die Madame steigt jetzt sofort aus ihrem Haus aus und in das Taxi herein, oder ich steh' auf und gehe!' Ich weiß dieser Auftritt hätte seine Wirkung gehabt, so viel kenne ich mich bei den Schwarzen aus. Warum ich es mir trotzdem noch verkniff und nicht machte, war: Ich wollte den Fahrer nicht von meiner Seite her Stress geben, den er dann mit einer Henkersfahrweise ausgzugleichen versuchen könnte. Denn das würde aller Wahrscheinlichkeit nach passieren. Man merkt jedoch, der Schreiber war geladen. Die Krux ist ja: Niemand der anderen Fahrgäste regt sich lautstark darüber auf.
Alle hocken mit ihrem Sozialfrieden da, denken sich viel, machen aber nix. Ja höchstens, hinterher reden und plappern. Das kenne ich aus zu vielen Begebenheiten in meinem Leben.
Ich brauche bei Gott keine Extrawürste, ansonsten würd' ich sicher nicht in so einem Sammeltaxi sitzen und unterwegs sein. Allerdings mach' ich meinen Mund sicher auf, wenn das angebracht, nötig und geschickt ist. Dieses in der Masse verharren ohne zu mucksen hat die ganze Corona-Zeit definitiv verlängert, auf gut zwei Jahre. Sie ist noch nicht vorbei. Denn die mentalen und gesundheitlichen Schäden der Mitmenschen sind mitunter erheblich und langanhaltend.
Diese Madame kroch irgendwann aus ihrem Haus. Im Schlepptau auch ein Mann, ihr Freund, oder so. Sie bekamen tolle Sitze. Die Geschwistermädchen mussten ihre Bank räumen und wurden in andere Nischen gequetscht. Das war also jetzt der wirkliche Beginn der Inseldurchquerung? Ja, schon!
Ein Megakonvoi einheimischer Moped- und Motorradfahrer begleiteten uns jetzt, überall waren sie, rechts, links, hinten, vorne. Manche rissen ihre Kisten mit Wheelies hoch, viele mit extralautem Geknatter. Klar, man wollte auffallen im Schutze der Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, ein Zeichen setzen am langweiligen Sonntagnachmittag. Eine typische und klassische Nachmittagsrallye der testosterongesteuerten Jugendlichen von vor Ort. Jugendbande wäre übertrieben ausgedrückt, dafür ist der Zusammenhalt intern, glaub ich, zu lose.
Wenn man die Straßen der Insel kennt, dann ist das ein Eldorado für einen Moto-Biker. Wir schraubten uns Kehre nach Kehre hinauf. Die Einspurer ständig als Begleitschutz, oder doch mehr Gefahr? Nebel schlich sich ein und umhüllte uns bald, es wurde frischer, wir erreichten wohl die Passhöhe. Der Asphalt, die Straßen ähnlich wie auf den Kanaren top in Schuss. Keine Löcher. Ich denke der Teer haftet in diesem vulkanischen Terrain einfach bestens. Außerdem fehlen große Kälte oder Megatemperaturunterschiede.
Einige Tage später
Hänge hier mehr oder weniger in den Seilen am Kieselstrand von Ciudade Vehla. Die alte Stadt die sicher einiges erzählen könnte von den vergangenen Jahrhunderten. Ich musste höchste Zeit einmal raus aus diesem Praia, zu lange schon hält es mich dort gefangen. Nach Anfangseuphorie bin ich inzwischen in geläutertem Zustande. Der Grund, ein Inselhopping wie ich es mir vorstellte ist in diesem Sommer schier unmöglich.

Ciudade Vehla mit den Holzbooten der einheimischen Fischer
Fogo, die benachbarte Insel ist fährtechnisch gar nicht erreichbar, denn das Transportunternehmen hat Megaprobleme mit seinen Fähren. Scheinbar klappe nur die kurze Verbindung zwischen Sao Vincente und Sao Antao im hohen Norden. Das die Auskunft dieser Woche, nachdem seit letzten Freitag ständig Menschentrauben vor deren Büro auf dem Plateau warteten. Also Fogo nur teuer via Flug erreichbar, sehr teuer. Und Rückflug hab' ich gar keinen mehr finden können.
Dann wollte ich Sao Vicente buchen, einen Flug nach Mindelo. Für Wochen ausverkauft. Von dort aus hätte ich vorgehabt nach Sao Antao zu schippern und dann zu hiken und biken auf diesen märchenhaften Basaltpflastersteintrails. Pflasterwege, gepflasterte Straßen, viele, sind hier top angelegt und ein fast ewiges, stabiles Werk, wie es scheint. Gut, es hat keinen Sinn alles aufzuzählen was nicht geht. Die viel konstruktivere Frage ist: 'Was geht denn?'
Nach Sal sind Flüge buchbar. Nachdem ich bereits 3mal online bei der Zahlung via Kreditkarte in den 'Erro' geschickt wurde, fand ich mich dann gestern in so einem Reisebüro wieder und ließ die Dame das machen. Zweimal sagte sie mir, oder waren es dreimal: 'Es dauert noch 5 Minuten.' Sage und schreibe brauchte ich eine gute Stunde in diesem Bürochen um das Ticket dann erfolgreich gezahlt zu haben.
Unterhalb dieser Prozedur besuchte ich eine Mama in einer nahen Favela und schenkte ihr gebrauchte T-Shirts. Im Office selbst begann ich am Kindle zu lesen bis ich der engagierten Dame irgendwann sagen musste: 'Todo es lento en Cabo Verde!' Sie konnte mir nur zustimmen. So in einem Reisebüro war ich vielleicht vor der Jahrtausendwende das letzte Mal. Am Voucher wurde dann mit Neonfarbstift das Wichtigste markiert, damit auch noch der hinterletzte Pauschaltourist versteht was was zu bedeuten hat und wann man wo zu sein hätte.
Gestern wechselte ich auch das Zimmer in meinem Haus, denn vom Bad aus gab's immer wieder Überschwemmung. Das neue hat eine Badewanne, die ich sehr rasch verwendete um meine Wäsche zu waschen. Leider funktioniert das Internet im neuen Zimmer nicht. Dafür muss ich raus, das ist schlecht, aber bis morgen kein Problem.
Morgens und vormittags gibt's in Praia immer das gleiche Wetter. Vollbewölkt, keine Sonne. Immer dasselbe.
Zu Mittag lichtet es sich meistens und darauf hat die Sonne die Oberhand. Der place to be in Praia ist eindeutig der Cubra Playa. Dort geht das Leben ab. Heroben auf der Straße noch eine workout Station und Basketballmöglichkeit. Der andere place to be ist das Plateau, Regierungsviertel bzw. Markthalle mit Fußgängerzone plus Cafes. Mit den Bussen kommt man blendend herum, 40 Cent pauschal pro Fahrt. Autotaxis verlangen 200 Cent pro Fahrt.

Fischen, eine menschliche Urtätigkeit - Bub in Tarrafal
Während ich einen fantastischen Blick auf die Brandung und Wellenbewegungen hier vom Strandcafe aus habe umwebt mich diese klassische, wie ein Katzenschwanz herumschmeichelnde Ocean-Breeze. Ich hatte einen Cappuchino getrunken und dazu ein Cornetto geschleckt. Ich weiß gar nicht ob dieser Klassiker von Tüteneis noch so heißt?
Es war zu meiner Kindheit und Jugendzeit das Topeis das man sich bei weitem nicht immer leisten konnte, 10 ÖS. Ein Twini oder Jolly war 3,50 ÖS. Magnum gab es noch nicht. Ein Brick oder Brickerl war 5, ein Nogger 6 Schillinge. Die gute alte Jugendzeit, alles hatte seine Ordnung, oder auch manchmal nicht;-() Diese Ordnung gibt es immer noch, so wie die Unordnung. Nur das Geld hat heute noch mehr Macht erhalten und Wichtigkeit bei den Menschen. Narzissmus und Selbstinszenierung gelten als normal. Sind es aber nicht.
Beides unnütz.
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