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Aktualisiert: 18. Juli 2021


Komme gerade aus Chici, wie es im Umkreis genannt wird, Chicicastenango. Es wurde für Touristen wegen des Marktes bekannt, der donnerstags, also heute und sonntags stattfindet.


Der Markt war mir im Vorfeld nicht so sonderlich wichtig. Ich wollte einfach den Ort sehen und den Weg dorthin kennenlernen, in den öffentlichen Chicken Bussen, die zu Guatemala gehören wie Tortillas und die Machete die im Gürtel der Campesinos steckt.


Beim Start in Pana hatte einer dieser alten amerikanischen Schulbusse an der Haltestelle seine Frontmotorhaube weit offen. Es wurde hektisch gewerkelt um ein Problem zu beheben. Deshalb stieg ich in den nächst daherkommenden, der noch Werkzeug für den ersteren ausborgte.


Es ging die Bergstraße hinauf nach Solola. Eine Strecke die ich bereits gut kenne, sie hat einige famose 'miradores', Aussichtspunkte hinunter auf den Lago Atitlan. Vor ein paar Wochen hatte ich versucht die steile und kurvenreiche Straße zu erwandern, es ist als Fußgänger aber schlichtweg zu gefährlich. Der Platz fehlt an jeder der Fahrbahnseiten. Also mehr Stress als Freude.


Das kleine Städtchen Solola ist Provinzhauptort, deshalb gibt's eigentlich regelmäßig Stau in und aus dem Zentrum. Darum sprang ich vorzeitig aus meinem ersten Chicken Bus dieses Tages, um ins Ortszentrum zu Fuß zu gehen. Dort machte ich noch ein paar Fotos dieser auffallenden, dekorierten Ami-Schulbusse und stieg in einen nach Los Encuentros ein.


Ich musste mich schon vor dem Einsteigen bei einer Kontrollorin vorbeischwindeln und saß dann nicht lange wartend im hinteren Busbereich, bis ein anderer Chico mit Gel für meine Hände ankam. Ich verneinte, wie immer bei diesen aufgedrängten Aktionen. Dieses komische Zeug lasse ich nicht auf meine Haut. Damit war die Sache aber noch nicht gegessen, denn er bestand bald darauf, dass ich eine Maske aufsetzen sollte. Ich antwortete, ich habe keine. Der junge, ambitionierte Mensch ließ nicht locker und holte vorne beim Führercockpit einen Pack neuer Wegwerfplastikmasken und bot sie mir an. Reflexartig nahm ich eine, in dem Moment überrascht von dem aufdringlichen Angebot, er hielt mir die Packung ja mitten vor mein Gesicht.


Fast im gleichen Moment ärgerte ich mich bereits so ein komisches, erniedrigendes Ding angenommen zu haben, gleichsam im Affekt. Setzte den Lappen aber nicht auf. Als der Busjunge das bald auch bemerkte, kam er erneut zu mir und meinte, wenn ich sie nicht trage, kann ich nicht mit diesem Bus fahren. Ich erwiderte, gut, dann nehme ich einen anderen, und stieg sofort aus.


Ich war von der ganzen Begebenheit erst einmal derart geschockt, dass ich mich bewegen musste, und zwar in meine gewünschte Zielrichtung durch die Gasse aufwärts. Ich hatte inzwischen circa 1 Monat keine Maske mehr getragen und war absolut verärgert. Ich zog so lange bergauf bis ich an den Ortsausgang kam, immer ein Auge im 'Rückspiegel', ob ich einen Kleinbus anhalten könnte. Ich marschierte weiter in Kurven, ständig hinauf und auf der Seite kein Platz, dass ein Vehikel stehen lassen konnte um mich aufzuschnappen. Das änderte sich auch im Verlauf der Straße nicht. Was sich zunehmend besserte war die Sicht auf die Stadt, den See und die mächtigen Vulkane. Fuego rauchte seine Pfeife mit tollen Megarauchringen wie ich es schon öfters von Antigua aus beobachten konnte.

Irgendwann gab ich meinen Plan heute noch nach Chicicastenango zu gelangen auf, drehte um und bremste über eine Abkürzung hinunter in das Bergstädtchen. Ich dachte mir, nun gut, dann soll's eben heute nicht sein.


Wider Erwarten saß ich schlussendlich doch in einem gelben Chicken-Bus, in dem mir nicht klar war, geht's jetzt nach Pana, oder doch Los Encuentros. Das zweitere stellte sich dann heraus und wir knatterten die Berghügel hinauf. Die Transportjungs waren heute aber so scharf, dass ich nicht umhinkam eine schwarze Maske wenigstens über den Mund zu ziehen.


Los Encuentros, wie der Name schon sagt ist ein Treffpunkt, in dem Fall von viel Verkehr und vier Himmelsrichtungen. Ein andere Name für diesen Knotenpunkt ist treffend 4 Caminos, also vier Wege. Mein Weg war ein kurzes Umsteigen in einen weiteren bunten Bus nach Chici. Ein Straßenverkäufer wurde eine kleine Portion Papas bei mir los, papas fritas, Chips Englisch, oder wie in Österreich genannt, Pommes, aus dem Französischen, pommes frites. Sie waren halbwegs warm, steckten in einem Papiertütchen woraus ich sie mit einem Zahnstocher fischte. Vor uns war eine Strecke von etwa 20 km, kurvenreich, auf und ab, eine Straßenachterbahnfahrt bis wir in Chici landeten.


Wechselseitige Hilfe der Busjungs in Panajachel


Los Encuentros - Wo sich täglich Vieles begegnet


Ich stieg aus und musste erst einmal durchschnaufen und mich etwas akklimatisieren, denn die vorhergehenden Stunden waren etwas turbulent. Der Bus spuckte mich direkt vor dem mittelalterlich aussehenden 'Hotel Santo Tomas' aus. Meereshöhe hier etwa 2000 m. Nachdem ich'mein Hotel' fotografiert hatte, immerhin steht auch bald unser Namenstag des Apostels Thomas am 3.Juli vor der Tür, erwartete ich wilden Marktrubel. Umso überraschter war ich, als ich in ein eher beschauliches, ruhiges Treiben eintauchte ab von Verkehrshektik. Irgendwann stolperte ich dann vor eine Kirche, bzw. unterhalb jene. Davor loderte Rauch und ein Einheimischer legte Blumen nieder und entfachte in der Glut mit seinen Räucherholzstäbchen einen weihrauchartigen Geruch. Ich betrat die kleine Kirche, überall brennende Kerzen, viel Wachs am Boden.


Als ich wieder heraustrat erblickte ich unweit eine anderes weißes Gotteshaus mit roten, langen Fahnen dekoriert. Das schien also die Hauptkirche zu sein, dem Heilgen Tomas geweiht und von den Spaniern auf Grund des vorher stehenden Maya Tempels errichtet. Die 18 steilen Stufen hinauf dazu könnten noch vom Tempel stammen. Ich besuchte auch diese innen und war wirklich beeindruckt, für mich bis jetzt die schönste, alte, simpelste Kirche in Mittelamerika. Ein Mix aus weißem Gemäuer und dunklem Holz, ans Mittelalter erinnernd, auch sämtliche Statuen und Schnitzwerke im Interieur.


Kirche Santo Tomas - Chicicastenango - vorher stand ein Mayatempel auf dem Platz


Es war so viel Wachs herum, speziell um das Tor, dass eine meiner Sohlen sehr rutschig wurde, ein Ausweichen war unmöglich. Kurz darauf hatte ich einen Buben am Hals der mir unbedingt etwas von seinem Zeug verkaufen wollte, das er in einem Plastikkorb und sonst um sich hängen hatte. Ich war ihm als Gringo unschwer in der Menge aufgefallen als ich bei einem Stand bunte Stoffhandyhüllen begutachtete und fast schon eine kaufte. Der Junge schlenderte mit mir mit durch die enge Marktfurche weiter und redete unaufhörlich auf mich ein.


Ich dachte mir, der ist aber hartnäckig! Einerseits gefiel mir das, andererseits hatte er nichts was ich heiß begehrte. Dann meinte er, aber ein Freund von mir könne vielleicht etwas gebrauchen, etwa eine runde Stoffhülle um Tortillas warm zu halten. Davon hatte er drei unter seiner Achsel baumeln. Ich dachte mir, er hat recht, ich könnte jemand ein Geschenk machen. Ich fragte ihn, wie viele sie zu Hause wären. Er antwortete 8 Personen, 2 jüngere Geschwister, Vater und Mutter, zwei Großmütter und er, ein Großvater sei bereits gestorben.


Dann fragte ich ihn, was würde seine Familie machen mit dem Geld das er nach Hause bringt. Er meinte, hauptsächlich Lebensmittel kaufen. Ich fragte ihn ob er Hunger habe, ich lade ihn auf ein Essen ein. 'Magst du Reis?' Der Bursche meinte, hier gibt es keinen Reis, der wird weiter weg angeboten. Meine Idee war daraufhin etwa 2 kg Reis zu kaufen, den er dann mit heimnehmen könnte. 'Bist du jeden Tag hier am Markt beim Anbieten?' fragte ich ihn weiter. Er erwiderte: 'Nein, nur donnerstags und sonntags an den Markttagen.' Drei andere Tage ginge er in die Schule. Ich fragte ihn nach seinem Namen, er antwortete er heiße Sebastian. Dann fragte er mich woher ich käme. Ich erwiderte aus Panajachel. Der Junge meinte, dorthin fuhr er vor Corona um Sachen zu verkaufen, mit seiner Familie. Ich hakte nach: 'Wirklich? Der Weg ist weit und die Fahrt ist recht teuer!' Sebastian: 'Ja, 25 Quetzales eine Strecke.' Das macht für beide Wege am Tag also über 5 € aus. Das muss erst einmal an Profit gemacht werden, damit sich alleine die Reise abzahlt.


Bis jetzt hatte er immer noch seine sterile, bläulich-grünliche Krankenhausmaske in zwei Drittel seines Gesichts. Endlich nahm er sie ab und ich erkannte seinen schönen Mund. Schon vorher hatte ich beobachtet, dass seine Augen glasig waren und traurig aussahen.


Er musste einen schweren Tag gehabt haben. Ich denke mir grundsätzlich, wenn mich jemand um etwas bittet, im speziellen ein Kind, und ich kann geben, warum sollte ich eine derartige Bitte abschlagen? Während unserer ganzen Unterhaltung merkte ich, der Junge braucht Geld, nur das. Vielleicht wurde er auch von seiner Familie unter Druck gesetzt.


Ich zog meine kleines Jeanstäschchen heraus und gab ihm 10 Quetzales. Ich fügte hinzu: 'Das ist (rein) für dich, Sebastian!' Er war so froh darüber. Ich hätte weinen müssen, aber wir waren auf einem zu öffentlichen Platz, so musste ich das unterdrücken. Der Bub bedankte sich artigst. Gleichzeitig dachte ich mir: 'Mei Thomas, das war doch viel zu wenig was du ihm gabst!' Der Moment, der Augenblick war aber auch gelaufen, wir verloren uns im Getümmel aus den Augen. Ich war mir bald sicher, diese 10 Quetzales gibt Sebastian nicht für sich aus, sondern liefert er brav bei seinen Eltern ab.


Straßenverkäufer in Chici - nicht Sebastian - aber ein Kollege auf ähnlicher Mission


Ehrlich gesagt, diese Begegnung hat mich derart berührt, ich brachte sie für weitere Stunden nicht aus dem Kopf. Es bewegte mich so. Er war so tapfer. Als Kind muss er schon richtig reinklotzen, kriegt Druck ab, mit dem er umgehen lernen muss. Das drückte sich in seinen feuchten Augen aus. Tränenwasser drückte sich durch seine Augen den Weg ins Freie, direkt von der Seele kommend.


Jemand wie ich der in einem guten Umfeld aufwachsen durfte, kann sie nicht vorstellen wie es vielen anderen Kindern auf dieser Welt geht. Auf wie viel sie verzichten müssen, was sie entbehren müssen. Wie sie oft misshandelt werden und den Mühen und vielleicht Launen ihrer Familien ausgesetzt sind. Sebastian als ältester von drei Geschwistern hat natürlich eine arg hohe Verantwortung die seine Eltern und seine Rolle ihm aufladen.


Ich hätte wirklich am liebsten sein Schicksal mit einem Schlag und einer Tat verändert und verbessert. Das wäre mein Wunsch gewesen. In etlichen Jahren Leben in Afrika hab ich aber gelernt: Du kannst vorübergehend ein bisschen unterstützen, lindern, Anteil nehmen, dich solidarisch zeigen und etwas teilen. Aber das Schicksal einzelner kannst du nicht oder kaum ändern.


Und dann spricht man in der reichen westlichen Welt von Kinderrechten die jedes Kind hat oder haben soll. Das ist völlig an der Wirklichkeit vorbei. Viele Kinder müssen arbeiten, damit ihre Familien, ihr Clan ein Auskommen hat und überlebt, so einfach ist das. Die Kinder lernen sehr viel dabei. Auch ich musste als Kind arbeiten. Man macht nicht immer alles gerne, aber man lernt Einstellungen und für's Leben selbst. Das Leben ist nicht fair.


Du wirst in eine Familie hineingeboren und somit sind deine Lebensvoraussetzungen von vornherein unterschiedlichste. In einer reichen Familie sind die Umstände ungleich anders als in einer Familie die im Slum wohnt. In beiden Fällen kann das Kind genug Liebe mitbekommen. In beiden Fällen kann das Kind Gewalt und Misshandlungen ausgesetzt sein. Es ist nicht zum Besseren für Kinder wenn sie verwöhnt werden. Es ist nicht angenehm für Kinder wenn sie in ihrer Kindheit dauernd und hart arbeiten müssen, ihr Kindersein bleibt auf der Strecke. Sie können es wohl meist nie mehr nachholen. Außer in einem weiteren Leben. Das Leben ist nicht gerecht.


Frohes, gemeinsames Lernen aus einem Buch - es geht auch ohne (Buch)


Deshalb ist es für mich oberste Maxime, dass wir empathisch sind, uns Gedanken um andere machen, uns versuchen in sie hineinzuversetzen, teilen. Ein nettes Wort, ein Gespräch, ein Lebensmittel, eine Münze, eine Banknote, Verständnis, einen guten Augenblick, einen tiefen Moment.


Dieses Erlebnis heute mit diesem Sebastian hat mich berührt, es hat meinen Tag so viel reicher gemacht. Ich denke auch heute Nacht noch an ihn. Vielleicht hat er mich auch noch nicht vergessen, es würde mich freuen. Wichtig ist es aber nicht. Zwei anderen kleinen Mädchen hab ich heute in einem Chicken-Bus je ein Zuckerl geschenkt, weil sie mich immer wieder neugierig und interessiert angeschaut haben, denn als Gringo schaue ich exotisch aus für sie. Auch das waren schöne kurze Augenblicke für mich, aber auch für sie. Das Glück liegt oft in einem kurzen Moment. Ohne Kinder wäre unsere Welt eine traurige. Wie schön, dass es sie gibt. Jedes einzelne ist ein Geschenk für uns.




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Aktualisiert: 18. Juli 2021


Unter mir fließt mit leichtem Geplätscher ein Bächlein direkt in den See.

Dieses flutende Geräusch ist einerseits beruhigend, andererseits lebendig, unaufdringlich, natürlich, unaufhörlich, besänftigend, quirlig.


Also belebend und beruhigend zugleich.


Das frische Wasser wird vom See verschluckt. Wie viele solcher Rinnsale und Zuspeisungen mag dieser Kratersee wohl haben? Ich denke es sind ziemlich viele, denn ringsum steht ein Kranz von Hügeln, Steilwänden, Bergen und mächtige Vulkanflanken die den See bis zu 2000m überragen.

Hier fließt der Rio Panajachel zum See. Täglich holen Leute Steine, Schotter und Sand vom Schwemmbereich. Sie sieben das Konglomerat auf Gittern in mehreren Gängen händisch klein.


Am Morgen gab es Regen, zum ersten Mal. Ansonsten findet dieser immer zwischen dem frühen Nachmittag und den Nachtstunden statt, jetzt in der Regenzeit. Dieser Lago Atitlan füllt einen bis über 300m tiefen, alten, riesigen Krater aus. Halb so groß wie der des Ngorongoro Kraters in der Serengeti Tanzanias. Dort ist er nicht mit Wasser gefüllt, sondern je nach Jahreszeit mit üppiger Vegetation und dementsprechend großer Vielfalt von afrikanischer Pflanzen- und Tierwelt.


Wenn ich als kleiner Mensch immer wieder einmal an die geologischen Zeitdimensionen denke, wird mir bewusst wie kurz unser Lebensgeschenk ist, dieses Zeitfenster in dem wir einen Blick auf die Welt werfen dürfen. Das hilft sich besser einzuordnen, sich einzufügen, das ganze Leben besser zu verstehen. Als lebendiger Teil des Ganzen sind wir eingebettet in die Natur und deren Kreisläufe.


Allein der Versuch daran zu denken wie dieser Krater entstand, wie lange das dauerte, wie und wann er sich dann mit Wasser füllte und irgendwann sehr spät erst Menschen sich um den See siedelten, führt zu Demut und Bescheidenheit gegenüber erdgeschichtlichen Prozessen und Entwicklungen, denen wir völlig ausgesetzt sind. Heute scheint für uns Menschen dieser Prozess abgeschlossen zu sein. Die Natur steht gleichsam still, und genau so ist es nicht. Nur mit unserer menschlichen Ungeduld können wir große Zeiträume nicht wirklich fassen. Ein Staunen bleibt über und ein Unvorstellvermögen.


Dass auch die feste Erde auf der wir täglich wandeln in Veränderungsprozesse eingebunden ist, darüber lohnt es sich ab und zu nachzudenken. Allein wenn man etwa Bäume berührt und betrachtet, die ein Menschenleben überaus kurz erscheinen lassen, weil sie ein Vielfaches älter sind, beruhigt irgendwo. Die festen Steine und Felsen, Gebirgszüge, alles Resultate von geologischen Entwicklungen die über viele Jahre gehen und nie wirklich abgeschlossen sind, immer in einem Kreislauf sich befindend. Die Kontinente selbst die wir heute vorfinden liegen auf Megaplatten, die sich gegeneinander bewegen, was zu Erdbeben und Vulkanausbrüchen führt. Andere Prozesse lassen wuchtige Gräben und tausende Meter hohe Berge enstehen.


Der Nachbarvulkan Fuego etwa ist momentan recht aktiv, gerade vor zwei Stunden beobachtete ich aus der Ferne wie er dunkle Rauch-und Gaswolken in die Atmosphäre ausstieß, einem Pfeifenraucher ähnlich. Als ich im Studium in Cambridge, England war, hatte ich Lilian eine fantastische Geologin als Professorin am Homerton College. Man hatte das Gefühl die Frau versteht die geologischen Zusammenhänge der Welt völlig, durchschaut sie und versuchte sie uns 'Laien' verstehen zu machen. Sie schaute einen Stein an, eine Erdschichtung, eine Einlagerung in Gesteinszusammensetzungen und wusste direkt, oder besser, ahnte sehr bald wie diese zu Stande gekommen waren. Auch wann und wie es dazu kommen konnte. Der Fundort gab ihr weitere Aufschlüsse.


Leider war ich in dem halben Jahr damals Mitte der 90iger Jahre nie mit ihr auf fieldtrip, wo sie vor Ort hätte erklären können was in zig Jahren erdgeschichtlich abgelaufen sein könnte. Allein aber die Bilder die sie zeigte und deutete, schon das war ein Erlebnis. Sie entdeckte viele Länder und geologische Formationen, auf andere war sie noch so neugierig, aber eben, ein Menschenleben ist sehr begrenzt.


Viele Vulkane hier in Guatemala sind klassische Schichtvulkane, also Stratovulkane mit mäßig bis sehr steilen Berghängen. An den fruchtbaren Flanken bildete sich mit der Zeit ein gemischter, starker Urwald, der versucht wird vom Menschen in Teilen in Ackerland umzuwandeln. Doch ist er nicht fleißig dabei 'sein Land' zu bewirtschaften, verschluckt die 'Natur' diese Schneisen und geometrischen Äcker wieder und überwuchert das was dem Menschen so heilig war.


Am Seeufer in Panajachel, das sich heute auf einem großen Schwemmkegel des Flusses Rio Panajachel befindet. Viele Jahre zogen ins Land ehe der Kegel so war wie heute.


Alles worauf die Häuser heute stehen ist Schwemmhalde des Rio Panajachel

Foto von San Jorge aus


So lohnt es sich, wenn wir uns wieder einmal gar so wichtig nehmen, uns in die Natur zu setzen und zu überlegen wie die unmittelbare Gegend entstanden sein könnte und wie dankbar wir sie betrachten dürfen in unserem kurzen Menschenleben - unserem Zeitfenster.


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Aktualisiert: 18. Juli 2021


Gestern war ein ereignisreicher Tag.


Zuerst bin ich in meinem neuen Käfig erwacht, ein kleines Zimmerchen, sogar noch ein Bad hineingequetscht in die Räumlichkeit. Manchmal denkt man alles für Lilliputaner, aber viele Menschen des Planeten leben und hausen mit so wenig Platz, das kann man sich nur vorstellen, wenn man's sieht. Und ich hab's schon des öfteren gesehen, auch teils miterlebt. Ich schüttle immer wieder den Kopf wenn ich so beengte und manchmal auch dreckigste Plätze sehe, oder darüber stolpere. Das heißt ich reg mich hier auf, worüber es rein gar nichts zu meckern gibt.


Was jetzt hinzukommt hier ist Regenzeit, und nachts wird's dann doch so kühl, dass man frühmorgens diese Polyacrylkunststoffdecken gerne noch einmal um die Beine oder Schultern schlägt. Sie geben irgendwie warm, obwohl die Natürlichkeit fehlt, kein guter Griff sagt man textilisch dazu.


Wenn ich dann aber Tageslicht ergattere und solche Gefängnisse verlasse, dann erst kann ich aufblühen. Die Bootsfahrt quer über den See ist für mich immer wieder ein neues Erlebnis. Während ein Großteil der Kleinschiffsinsassen auf dem Handy irgendetwas sucht was sie unterhält, hab ich dieses Ding zwar auch griffbereit, benutze es aber hier ausschließlich als Kamera. Egal wie oft ich in so einer Kunststoffkiste über den See gleite, jedes Mal wieder bin ich fasziniert. Eigentlich war es meine Idee in San Juan auszusteigen, diese Fuhre ließ aber diesen Stopp aus, so wurde es wieder der Ankunftssteg in San Pedro. Endlich gelangen mir bei der Landung ein paar idyllische Fotos des Ortskerns vom Wasser aus. Vorhergehende wurden allesamt von meinem neuen Handy nicht gespeichert.


Anfahrt auf San Pedro, Motor ist bereits abgestellt


Bald schlenderte ich an Strandcafes vorbei, das eine einladender als das andere, bis ich Frauen am Wasser waschen sah. Ein sehr übliches Bild hier am See, dass die Frauen Eimer von Kleidern an das Wasser schleppen und dann stundenlang Bekleidung schrubben, ausbürsten, auswringen und versuchen wieder sauber zu bringen. Anstrengende Handarbeit.


Auf einem nigelnagelneuen Betonfahrbahnpflaster gelangte ich über die deshalb teils gesperrte Hauptstraße ins Nachbardorf San Juan. An jeder verdächtigen Ecke sind diese schwarz-neongelben Polizeibeamten postiert, die versuchen mit ihrer schrillen Pfeife vor allem die Tuktuk Fahrer unter Kontrolle zu halten, was aber eben so wenig gelingt, wie sinnvoll ist, denn das erledigt sich alles von alleine. Den Fußgänger, wie ich es allermeistens einer bin, stört das nicht, außer das Verkehrsgeschehen wird zu gefährlich für den leicht verletzlichen Passanten. Die motorisierten Verkehrsteilnehmer fahren hier sehr dicht an Menschen vorbei, das ist oft kein gutes Gefühl. In Mexiko fühlte ich mich diesbezüglich wohler.


Die Ausblicke einerseits auf den Ortskern von San Pedro, andererseits auf die Indian Nose hoch über San Juan sind an diesem späteren Morgen atemberaubend. Den Hochlandsee der in einem Riesenkrater entstehen konnte umkranzen Dörfer, die nach den 12 Aposteln von Jesus aus Nazareth benannt wurden. Die christliche Religion hat sich im Land der Mayas vollständig durchgesetzt, obschon auch heute noch an Mayazeremonien festgehalten wird. Bei der Verbreitung des christlichen Glaubens haben die Spanier in Lateinamerika ganze Arbeit geleistet, einen ganzen Kontinent unterworfen, mit Gewalt.


Als ich dann begann durch San Juan zu spazieren war ich zu allererst auf der Suche nach 1-2 Bananen, denn mein Magen meldete sich. Nebenbei fielen mir mehrere Geschäfte mit handgearbeiteten Stoffen, Kleidern und gewebten Materialien auf. In einer Gasse gab es warme Küche und ich spekulierte schon eine Portion Reis zu betteln, es war mir aber doch zu früh dafür. Ich entdeckte einfach den Markt des Dorfes nicht, obwohl ich Früchte und Gemüse sah, aber genau Bananen stachen mir nirgends ins Auge. Kam so das halbe Dorf ab, wurde aber erst nach Mittag meiner süßen Bananen fündig. Schon seit Betreten des Dorfes war ich einigermaßen erstaunt über die große, teils sogar sterile Sauberkeit im Ort. Nach einem Besuch des Nachbardorfes San Pablo war das eine Weltenänderung, und das bei direkt benachbarten Kommunen.


So ähnlich mag es vielleicht bei den Aposteln Jesu gewesen sein. Obwohl sie viel miteinander durchlebten und gleichsam Nachbarn waren, war wohl jeder einzelne sehr individuell und von eigenem Charakter. Diese hauptsächlich Fischer von damals hätten heute hier an diesem See sicher auch gewusst wie sie sich am Leben halten. Vielleicht hätte wirklich jeder von ihnen ein eigenes Dorf gegründet und nach seinem Namen benannt?!


San Juan ist also, wie man neudeutsch sagt, ein Hotspot für guatemaltekische, farbenfrohe Handarbeit die hauptsächlich die Frauen stemmen. Sie haben sich in verschiedenen Vereinen und Kooperationen zusammengetan und verkaufen im Ortszentrum ihre Produkte deren Wert man in der heutigen schnelllebigen Gesellschaft nicht hoch genug einschätzen kann. Die Qualität, die guten, lokal angepflanzten Materialien die sogar naturgfärbt werden sind ein Segen und binden uns mit unserer Natur ein und zurück in sie.


Baumwolle in weiß, etwas softer. In braun links. Beides fühlt sich wunderbar in der Hand und auf der Haut an. Hinter der braunen Baumwolle ein Steinmörser zum Zerwalzen von Pflanzensamen woraus Farbpulver wird.


Baumwolle, weißliche und bräunliche wird zu Garn gesponnen. Gefärbt werden die Naturstoffe mit zerdrückten Samenpulver verschiedener Früchte des Landes. Aber auch etwa aus Roten Beeten, Karotten oder Bananenpflanzen werden Naturfarben hergestellt. Man kann sich vorstellen, dass sich diese Materialien wunderbar am Körper tragen.


Ich durfte mit einer Frau sprechen die gerade ein wundervoll um den Kragen besticktes Oberteil bearbeitete. Sie sprach mich etwas überraschend an, auf Englisch, und wollte wissen woher ich käme. Es hörte sich nach Neugier und gleichzeitig versuchtem Sprachpraktikum an. Ich antwortete. Sie fragte weiter wie mir das Klima hier gerade behage und mehr. Nebenbei prüfte ich kleine Täschchen mit Reißverschluss, denn ich suche schon seit 2-3 Wochen zum einen nach einer Hülle für mein neues Montagshandy, es ist nämlich nagelneu und funktioniert denkbar schlecht. Zum anderen hab ich mir eingebildet, ich müsse meinen bunten, kleinen Kulturbeutel ersetzen, den ich vor fünf Jahren in Kolumbien erstand.


Ich erzählte der sympathischen Einheimischen, dass ich diese handgearbeiteten Waren sehr schätze, worauf sie zustimmte und meinte. Dieses Teil, das ich gerade in Arbeit habe ist eine Bluse für meine Tochter. Sie soll sie ihr ganzes Leben lang tragen. Als ich diese Worte vernahm und gleichzeitig versuchte zu überdenken, schauderte es mir. 'Ein ganzes Leben lang' ein Kleidungsstück tragen, und dann vielleicht noch der eigenen Tochter weitervererben, also dem Enkelkind, das hört sich in der heutigen Modefetzen Wegwerfgesellschaft außerirdisch, arg außergewöhnlich, beinahe exotisch an.


Natürlich kenne ich diese Aussagen von meiner Mutter her, die inzwischen 85 Jahre jung ist. Und sie sprach nicht nur vor vielen Jahren davon, nein, sie trägt auch heute noch die hochqualitative, handgemachte Tracht aus Schafwolle zu den festlichsten Anlässen des Jahres. Sie hat sie vor etwa 60 Jahren selbst gemacht. Bei Gewichtsänderungen immer einmal wieder leicht angepasst, selbst versteht sich.


Drei Generationen im Bild. Eine vertraute Szene hier. Auch, dass die Alten arbeiten bis zum Tod, soferne sie können, besonders die Frauen.


Am Steg von San Juan steigt eine Mutter mit ihrem Baby im Arm in ein Boot. Schon parkt es rückwärts aus, dreht und vorwärts geht's in Richtung Südwesten, Kurs auf San Pablo.

Ich schrieb 'Kind m Arm'. Gesehen hab ich es nicht, es war eine hellgebe Decke die etwas umschlang. Man kennt das wie man Babies eben beschützend einpackt und trägt wie rohe Eier, vorsichtigst, jeden Schritt achtsam setzend.


Nachdem ich mich nachher noch am Steg mit einer dicken, dunklen Amerikanerin unterhielt, die zu lange auf ein Boot nach San Marcos warten sollte, wollte ich zu einer nahen Aussichtskanzel hinter dem Dorf hinauf, unterhalb der Indian Nose. Allerdings schreckte mich Eintritt dafür ab und ich entchloss zurück nach San Pedro zu wandern. Wieder hatte ich die neue, helle, frische Betonfahrbahn unter meinen Füßen, auch der dazupassende Geruch begleitete mich.


Im Ortszentrum kaufte ich frisches Gebäck von einer Straßenverkäuferin, die ihre vielleicht etwa fünf großen Körbe ständig mit Tüchern und Plastik bedeckt hielt, so dass es schwer war wirklich richtig zu sehen was sie anbot. Späterer Nachmittag war schon vorher in Mexiko die Zeit, wenn die Bäcker frische Ware anboten, nicht der frühe Morgen. Freundlich bedankte sie sich für 3 Quetzales und ich trottete zu dem Terassencafe das ich bereits kannte um dort im Parterre einen Capucchino zu bestellen. Ich hatte etwas Heißhunger aufkommen lassen und verdrückte Mehlspeisen und Milchkaffee hoch oben auf der Dachterrasse ungewöhnlich und ungesund schnell. Ich war heilfroh um die gebackenen Happen und ein paar Schluck Kaffee.


Der Schluck Schaumkaffee und das Süße waren bald verzehrt vor lauter Heißhunger


Als ich aufschaute erblickte ich bedrohlich grau-schwärzliche Wolken den Hausberg hinter uns eindecken. Nicht nur das, man erkannte auch schon Regenschneisen darin. Man konnte jetzt noch nicht abschätzen ob sich der Niederschlag herunter ins Dorf zieht und wenn, mit welcher Geschwindigkeit. Schließlich überraschte mich der Regen dann doch im Cafe und ich zog mich ins 1. Stockwerk zurück. Ich hatte bereits zuvor bezahlt, nur jetzt raus ins Nass zu stürzen machte keinen Sinn für mich. Deshalb hockte ich mich ins Parterre, denn dort war der beste Internetempfang. Ich wollte den Regen aussitzen.


Als es einfach nicht aufhörte zu plätschern machte ich mich trotzdem startklar, überzog auch meinem Rucksack die alte, orange Regenhülle von Vaude und nahm jetzt ein Tuktuk für die vielleicht nur 150 m hinunter durch das steil abfallende Gassenpflaster zum Bootssteg. Dort schoss das Regenwasser in einem wilden Rinnsal über die alten Pflastersteine in den See.


Die erste Information die mir ein junger Bursche gab war, es gäbe jetzt kein öffentliches Boot mehr nach Panajachel, nur mehr private. Diese werden teuer angeboten, im Endeffekt sind es die gleichen motorisierten Gefährte. Die gewitterartige Situation wurde von den Schiffscrews jetzt ausgenützt, um ihren Tagesprofit damt aufzubessern. Ich dachte mir nur, erst warte ich die Lage am Steg ab, meistens tut sich etwas. Wenn man in solchen Fällen auf Geduld und Zeit spielt ist man besser dran, als voreilig etwas zu entscheiden.


Mein Alternativplan im Kopf sagte mir, bleib in San Pedro heute über Nacht und fahr dann morgen erst nach Panajachel. Das fand ich erstens nicht unabenteurlich und zweitens beruhigte es. Ich musste diesen Plan nur mit dem wenigen Bargeld das ich bei mir führte bestreiten können, das ließ sich bei knapper Kalkulation machen.


Unterdessen kam eine junge Frau auf mich zu und erkundigte sich wohin ich wolle, sie wollte mit ihrem Freund nach San Marcos. Mir gefiel, dass sie den Bootsjungs mit ihrem Abzockplan nicht mitspielen wollte und nach Alternativen suchte.


Schlussendlich landeten wir in einem sehr vollen Boot. Die junge Frau hatte mich noch als Letzten ins Boot gedeutet und ich kam der Aufforderung ohne viel Überlegung nach. Ich dachte mir, das Boot ist voll, teuer wird es wohl nicht sein, alles Einheimische drin. Als ich dann innen sitzend bald mitbekam, dass es 'nur' nach San Pablo übersetzte, dachte ich mir, 'Auweia, Thomas, mit dieser Flucht verschlechterst du dir deine Ausgangslage, denn San Pablo hat gar keine Gästeunterkünfte anzubieten und San Marcos nur teure.


Neben diesem Gedankenkino in meinem Kopf tat mir aber der Freund der extravertierten, jungen Mexikanerin leid, ihm fröstelte bitterlich. Teils war er am Oberkörper nackt und versuchte immer wieder seine dünne, feuchte, schwarze Daunenjacke mit Kapuze so an den Leib zu bringen, dass er halt überlebte. In Abständen schlotterten seine Beine, dann wieder sein Oberkörper. Diese Körpersprache konnte seine coole Mimik nicht wettmachen. Dieser indigene Mann war aber immer noch zuvorkommend und bot mir zuerst sogar Sitzplatz und mehr an, was ich für völlig irre hielt, denn er war es, der litt. Ich war zu dem Zeitpunkt noch sehr trocken. Der Blitz schlug ein, es schüttete, ich dachte mir, wie sicher ist man eigentlich in einem Boot mitten auf dem See bei einem Gewitter wie diesem?


Das Gute am Lago Atitlan ist, dass ich seitdem ich hier bin beobachte, dass es selten höhere, schlagende Wellen gibt, wenn man von denen absieht die Nachbarboote verursachen. Das Heimelige und Beruhigende bei dieser Regengussüberfahrt war, ich bin nicht allein. Wenn ich mir dachte eine Brustweste überzuziehen die auf der Bootsdecke zur Genüge leblos hangen, konnte ich mir Überlebenschancen bei einem Kentern nur schwer vorstellen. Als wir den Steg von San Pablo erreichten, rückten alle hinaus in den Regen, wir zahlten und es schien, nun werde auch ich bald durchnass sein, denn das Dorf liegt einige hundert Meter weiter oben.


Wie sollte es aber anders sein, die rote Tuktukmafia wartete bereits um ihren Rattertransport anzubieten. Inzwischen waren die Mexikanerin, ihr frierender Partner aus Guatemala und ich spätestens zu vereinten drei Musketieren geworden die sofort das letzte Tuktuk bekamen. Aber nur weil etwa fünf Einheimische dieses räumen mussten, sie sprangen wie aufgescheuchte Hühner heraus, ich dachte mir, ich seh nicht richtig, das ist nicht fair.

Alles wohl nur deshalb, weil der Fahrer von uns dreien 5 Quetzales mehr erwartete, so knallhart ist das Geschäft hier. Wir tuckerten den steilen Hügel hinauf und ich fragte die zwei companeros wie sie in San Marcos wohnten. Sie meinten in einem günstigen Hostal. Ich fragte weiter, ob da noch ein Bett frei sein würde, sie meinten, sie glaubten schon. Das beruhigte mich einigermaßen, denn hier in San Pablo wüsste ich gar nicht wo zu suchen, und der heftige Regen noch dazu.


Das Ganze schreibe ich momentan hier in meinem Lieblingsrestaurant in Pana, jetzt 24 h später. Es hat auch jetzt wieder Dämmerung und Regen eingesetzt.


Unterhalb der Dorfkirche, wo bereits am Sonntag ein Fest ins Wasser fiel, wechselten wir Dreiradler, zahlten jeder 5 Quetzales und saßen sofort darauf in einem das weiterfuhr nach San Marcos. Ich kannte nicht nur den Weg bereits vom Sonntag, sondern auch den Preis des anstehenden Transports. Mittlerweile erzählte mir die Mexikanerin, dass sie vom Vulkantrekking kamen, erst spät los wären und dann gescheit in den Regen schlitterten. Außerdem berichtete sie von ihrem Autounfall den sie bei ihrer Ankunft am See hatte, wegen Bremsversagens des Vehikels, was jedoch alle Insassen glimpflich überstanden hätten.


Wir stiegen im Zentrum von San Marcos aus, zahlten und die beiden Durchfrorenen meinten, sie möchten jetzt zu ihrer kleinen Stammpizzeria gehen, denn die hätten wahrscheinlich Feuer angemacht. Sie stellten mir frei, mit mir auch gleich ins Hostal zu gehen, aber ich konnte mit der Pizzeria-Idee gut leben, obwohl mein restliches Tagesgeld dort keine Konsumation vorsehen konnte. Wir erreichten die kleine mit Holzbrettern ausgetafelte Essensstätte und als wir das Feuer des Ofens erblickten waren wohl alle drei von uns sehr froh.


Alte Couchsessel und ein Tischlein direkt vor dem Ofen wurden unser Platz für die kommende Zeit in diesem Laden. Elly, die Mexikanerin verschwand gleich mit ihrem Rucksack, sie hatten zu zweit nur einen dabei.


Währenddessen unterhielt ich mich mit Xavier vor dem Feuer. Ich teilte ihm umgehend mit, dass ich nichts konsumieren könne, weil ich zu knapp bei Kassa wäre. Ich musste ja wenigstens Geld für die Übernachtung und morgige Bootsfahrt zurück nach Pana schärfstens absichern. Er meinte, wie unter alten Freunden, kein Thema, ich soll bestellen, er lädt mich ein. Eigentlich sollte es genau umgekehrt sein, aber was sollte ich in meiner Situation machen?


Dieser Xavier stellte sich als unglaublicher Gentleman heraus, das hab ich schon lange nicht mehr erlebt. Irgendwann kam Elly wieder zurück aus der Umkleide und setzte sich als dann direkt vor, fast mitten ins Feuerholz, so froh war sie über Trockenheit und Wärme, ja in dem Fall Hitze.


Elly verbrennt sich ihre Füße fast am Ofen, wo eigentlich die Pizza hätte durchgebackener werden können.


Als der blutjunge einheimische Manager der Bude die Pizza auf die Kohlen legen wollte, musste er sich erst einmal an Elly vorbeischwindeln. Wir drei Gäste unterhielten uns ausgezeichnet, während die beiden durch die Bilder und Videos des Tages scrollten, auf ihren Smartphones. Es war perfekt, zwei Spansich-Muttersprachler, wobei die Mexikanerin recht gut Englisch sprach. Xavier verstand diese Weltsprache auch recht gut, er befindet sich beim Lernen, so wie ich beim Spanischen, das ergänzte sich. Ich hatte einen Milchkaffee bestellt, mir wurde ein große Schale heiße Milch serviert, die Wärme tat mir sehr gut, die Milch selbst meinem Magen gar nicht. Die zwei Pizzastücke die ich verzehren durfte waren nicht viel mehr als ein teigiges Gemisch aus Weißmehl und mäßigem Käse, also alles in allem ging das Ganze in Richtung Kaugummi.


Die beiden mittelamerikanischen Vulkanbezwinger würzten und dekorierten ihre Stücke mit allen möglichen Gewürzen und Saucen, wie es hier der Brauch ist. Beide waren begeistert von dem was ich als Pizza-Kaugummi bezeichnete. Für mich war das Nebensache, denn meine Tagesernährung war eh schon unorthodox gewesen, also wollte ich nur aufpassen, dass ich mir den Magen nicht verderbe. Im Zweifel ist Fasten die intelligentere Lösung.


Xavier lud uns und mich noch auf ein Bier ein, ich lehnte dankend ab, denn ein kaltes Blondes passte jetzt gar nicht auf die Speisefolge und die Umstände des abenteurlichen Tages. Der Gualtemalteke zeigte mir auch einige Fotos anderer Vulkane seines Heimatlandes die er bestiegen hatte. Acatenango, Fuego, Pacaya, was für mich als altem Bergsteiger und Naturkundler von großem Interesse war.


Wir unterhielten uns über modernes und traditionelles Leben, über die Frau heute, über Familienmuster, Digitalisierung, Medien und alternative Selbstversorgungsgemeinschaften. Meine zwei jungen Freunde waren erst seit zwei Tagen miteinander bekannt, doch sehr vertraut schienen sie und womöglich verknallt, zumindestens Xavier in Elly. Nicht sehr früh verließen wir den Pizzaspot, gewärmt, gestärkt, zufrieden.


Wir schlenderten zu ihrem Hostal, was eher einem Privathaus glich, oder soll ich besser sagen Privatgelände mit Autoreperaturplatz, Kleintierfarm und vielleicht auch noch Gästeunterkunft. Unübersichtlich, unordentlich, teils dreckig, aber die Mama herzlich und im Handumdrehen führte sie mich in einen Raum, der innen ok war, für Gäste zumutbar, würd' ich sagen. Sie meinte ich dürfe halt nicht die Tür von außen schließen, denn ihr Sohn hätte den Schlüssel verzamst. Ich zahlte umgehend und musste gleich wiederholte Male die Toilette benutzen, die innen auch sauber war, Gott sei Dank! Von einer ihrer Töchter bekam ich noch den WiFi Code und sogar Internet funktionierte tadellos. Das 'Zimmer' der Kinder das ich dabei aufsuchte, kann ich gerade nicht beschreiben, allein der Geruch war herausfordernd genug.


Erst nach Mitternacht schlief ich irgendwann ein, denn ich machte mir noch sehr viele Gedanken und Überlegungen zu einer Jobstelle in Indien, Mumbai, die gerade aktuell war.

Xavier und Elly schliefen nebenbei, zuerst glaubte ich in einem Zimmer, am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass es doch getrennte Räume sein mussten.

Die geniale Stille im Dorf wurde nur unterbrochen von Hundegebell, wie ich es etwa von Mazunte, Puerto Escondido oder Akumal her kannte. Trotzdem, meine Nacht war eine gute.


Auch der Morgen, ich umblickte meinen Raum, an zwei Wänden Bildnisse einer Künstlerin die sich 2020 hier verewigte. Ich packte meinen kleinen Rucksack und floh aus meinem Übernachtasyl. Zwei Tortillas von der heißen Platte machten meinen Morgenmund munter. Diese klassichen Tortillascheiben haben nicht mehr als 10 cm im Durchmesser und sind eben relativ dünn, vier Stück gibt's normalerweise für 1 Quetzal, das sind 10 Eurocent.


Dieses Tortillageschäft ist vielleicht die alltäglichste und prägendste Tätigkeit in Mittelamerika über den ganzen Tag hin, immer von einem Frauenteam gemacht. Man hört ein in die Hände klatschen und bald danach wenn man nah genug am Geschehen dran ist, riecht es absolut charakteristisch und gut nach Mais. Inzwischen magisch anziehend für mich. Meistens wird weißes Maismehl verwendet, ab und zu sieht man aber auch bläulich-bräunliches. Die Tortillas haben dann im Aussehen Ähnlichkeit mit Schwarzbeerschmarren aus Tirol.


Wenn ich jetzt noch zwei Bananen bekäme, wäre mein Notfrühstück absolut ausreichend, vorerst. Das war dann auch möglich, so machte ich mich auf den Weg zum Bootssteg.

Ich hatte noch knapp genug Geld dabei für die Fahrt nach Panajachel, meinem Zuhause. Weshalb aber eilen, so schlecht war das Wetter ja gerade nicht und ich setzte mich auf meinen Lieblingssteg und ließ die Ereignisse des vergangenen Tages Revue passieren.

Eines der klassischen Bilder vom Lago Atitlan mit einem der vielen Holzstege, 'muelles' genannt.




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