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Etwas spät aufgestanden heute am Sonntag. Da hielt ich mich nicht lange auf mit meinem klassischen Frühstück von Haferflocken mit einer Banane und saß sehr bald darauf im Chicken-Bus hinauf nach Solola. Die Busse würde ich eigentlich lieber anders bezeichnen, etwa Guate-Brummer, aber leider hat sich dieser englische Namen eingebürgert. Die Einheimischen nennen sie einfach buses, oder buses grandes, camionettas, aber es ist eben nichts Einheitliches von deren Seite zu hören.


Oben in der Provinzmetropole sprang ich hinten aus dem originellen Bus, also nicht seitlich hinten, sondern aus der Heckklappe, dort ist immer eine Nottür, die funktionell und mechanisch per Hand bedienbar ist, und nicht hydraulisch ferngesteuert. Ich gebe zu meine Landung war nicht ganz so elegant und abfedernd weich wie die der jungen einheimischen Burschen, aber es war wenigstens ein Sprung und nicht ein ungelenkes Herunterkrabbeln.


Während ich hier im Cafe Texel schreibe, beobachte ich eine weiße Frau, die sehr lange ins Menü starrt, wie ich denke. Jetzt aber nach besserem Zooming meinerseits stellt sich heraus, das ist nicht das Menü das sie liest, sondern sie hat ein dickes Buch vor sich am Tisch aufgeschlagen. Neben all' den kurzen, meist gedrungenen, schwarzhaarigen, indigenen Frauen fällt sie umso mehr auf, ist groß, hat breite Schultern, weiße Hautfarbe und brünettes, langes, glattes Haar zu einem Zopf gebunden. Ihre langen Beine spielen mit ihren weißen Jesusschlapfen, die mich bei ihrem sonstigen Styling eigentlich etwas wundern. Sie erinnert mich an meine Freundin Irene.

Maya in traditioneller Tracht. Die braune Decke um die Mitte wird je nach Belieben verwendet. Sie ist immer dabei. Ein mobiler Schuhputzer dahinter.


Allerdings sind wir eigentlich im Parque von Solola, dem Hauptplatz, wo ich gerade stehe und mich kurz akklimatisiere und fasse. Es ist Sonntag, den Namen verdienend, sehr sonnig und die mobilen Schuhputzer der Provinzhauptstadt haben gut zu tun. Sogar bei einem jungen Mädchen das seitwärts an einer Mauer sitzt und ihre schwarzen Schuhe auf Hochglanz polieren lässt, ich staune. Einen traditionell gekleideten 'signor' frage ich nach der Stelle wo ich Mikrobusse nach San Jose finde. Wenig später stehe ich dort, seine Auskunft war verlässlich und punktgenau. Der Busjunge öffnet mir freundlich die Beifahrertür, ich denke mir, nicht nötig, nahm das Angebot ganz vorne Platz zu nehmen dann aber doch an.


Die Reise geht los, es wird kurvig, bergab, bergauf, gewunden, dem Terrain entsprechend. An der Windschutzscheibe ist genau oben zu mindestens einem Drittel eine schwarze Blende. Der Rest der Scheibe hat zusätzlich noch andere undurchsichtige Merkmale. Nur wenn ich mich bücke erhasche ich den Schlitz der Sicht nach vorne freigibt, obwohl ich vorne direkt vor der Scheibe sitze. Der Fahrer ist unruhig, ständig mit seinem Handy beschäftigt, telefoniert auch und, naja, dementsprechend fährt er auch, nervös, ungut. Kaum hat er sein Smartphone kurz abgelegt, packt er es schon wieder, zappelt mit den Beinen, mein Gott, da sitzt es sich dann doch besser weg von ihm hinten, zu spät.


Wir fahren durch Meere von Zwiebelfeldern die in Terassenform geschickt angelegt sind. Nicht nur das, es ist auch gerade jetzt Ernte. Egal, auch wenn die Woche heute Sonntag schreibt, ganze Familien arbeiten inmitten Haufen von geschichteten Stapeln weißer, frischer Zwiebeln. Leider geht sich während der Fahrt mit dieser Streckenführung und diesem Chauffeur kein Foto vom Mikrobus aus, das scharf und gut geworden wäre. Die Felder voller Lauch und die Zwiebelköpfe selbst zeigen ihre nackte Stirn, das heißt sie wollen heraus.

Zitat meiner Mutter: 'Ohne Zwiebel kann man nicht gut kochen!' Ich hab als Kind Tränen geweint, wenn Mama Zwiebeln schnitt. Manche setzen sich dafür auch eine Schneebrille zum Schutz auf, wie eine meiner Exfreundinnnen. Das heißt, obwohl die Zwiebel teilweise sehr auf die Tränendrüsen drückt, wir wollen nicht auf sie verzichten. Heute geb ich meiner Mutter recht, die Zwiebel ist der Geschmacksbringer in der Küche und beim Essen schlechthin.


Die Zwiebeln wollen raus, es ist Erntezeit.:-)


Die junge, recht hübsche Frau hat ihr Buch inzwischen zugeschlagen. Es hat einen rosa Umschlag, sieht also aus wie eine Bibel für Frauen. Und jetzt schreibt sie in ein Heft oder Büchlein. Das alles find ich richtig gut. Ein Grund weshalb ich gerne schreibe ist, es verlangsamt sich das Leben ein wenig, wenn man Gedanken zu Papier bringt. Man gewinnt Zeit zum Reflektieren.


Sehr gerne schreibe ich in Cafes



Nun, im Zentrum von San Jose gebe ich meine Beifahrerrolle auf, steige aus und stehe mitten in einem kleinen, versteckten Bergdorf, kühl ist es. Kein Wunder auf etwa 2200 m hier, der See liegt unten auf 1500 m, wo ich startete. Allerdings ist es der Wind, der die Fühltemperatur stark beeinflusst. Am Marktplatz schnappe ich mir zwei Karotten und eine rote Paprika, ich denke mir, gut möglich, dass heute lange nichts mehr hergeht auf der weiteren Strecke.


Terassenanbau wie vielfach auf der Welt. Es scheint eine der besten Anbauformen zu sein. Hier vielfach mit Zwiebeln bestellt. Aber Kartoffeln, Bohnen, Kraut, Tomaten, Mais sind ebenso dabei.

San Jose im Hochland Guatemalas auf weit über 2000 m Meereshöhe.


Mein Weg führt bergauf, an Zwiebeln vorbei, auch anderen Gemüseplantagen, das ein oder andere Tuktuk oder Moped sind am Weg, bis ich nach zügigem Fortschritt den ersten 'mirardor', Aussichtspunkt erreiche. Er ist ziemlich versteckt gelegen, bietet allerdings einen umso schöneren und weiten Ausblick über zwei Drittel des Sees. Hier befindet man sich hoch über Santa Cruz.


Einheimische Jungs erschrecken ihre Mädchen, die gerade mit einer Süßigkeit in der Hand vom Laden kommen. Alle lachen darauf. Ein Mädchen das wegen der Aufregung rückwärts zu mir unterwegs ist, wird dann gleich noch einmal vom Gringo Thomas erschrocken, den sie ebenso wenig erwartete. Alle lachen wieder laut. Ich grüße. Ihr Mund zeigt schön unregelmäßig angeordnete Zähne, ein Augenblick emotionaler Begegnung. Wäre gespannt wie sie meine Erscheinung beschreiben würde. Vielleicht mit großer Weißer mit noch größerer Nase und unregelmäßig nicht mehr allen Zähnen im Gebiss?


Blick nach Osten - unter den weißen Wolken in der Ferne die Vulkane Fuego und Acatenango


Zwei Frauen sitzen am Wegrand. Hinter ihnen riesige Bündel mit Brennholz. Sonntagsfrei machen sie heute nicht, sie warten auf alte Pickups, brauchen ihre Rast bitter nötig. Ich bin weiterhin recht flott auf dem Weg, erstens genug Strecke vor mir, zum anderen mein Rücken eher verschwitzt und es ist windig. Der Respekt mich zu verkühlen hängt mir im wahrsten Sinne des Wortes im feuchten Nacken. Genau dort entweicht unsere meister Wasserdampf. Ich passiere ein quellendes Brünnlein, herrlicher erfrischend, gar nur das Geräusch des plätschernden Wassers. Ich trinke diesmal aber nicht.


Die junge, lesende und schreibende Amerikanerin ist inzwischen verschwunden, spurlos sozusagen, ich verabsäumte ihr Aufbrechen. Die Familie die hinter ihr saß und noch immer dort sitzt, hat wieder ihre Krankenhaus Gesichtsmasken aufgezogen, nach ihrer Konsumation. Ich erspare mir ein weiteres Kommentieren dessen.


Hundertemale reparierte, voll beladene, alte Pickups und ein paar andere einspurige Fahrzeuge sind meine folgenden Passanten auf der groben Schotterpiste. Ausblicke über den See die sich ergeben sind mitunter atemberaubend. Nur die Monstervulkane Acatenango und Fuego sind in der Ferne in Wolken gehüllt. Ich bin mir sicher, dass Vulkan Fuego darunter seine übliche Pfeifenrauchaktivität verrichtet. In der Nacht gab es auch wieder ein Erdbeben der Stärke 4,5, das Epizentrum war diesmal weit im Landesinneren, andere Male ist es draußen am Pazifik. Am sogennanten 'ring of fire' auf dem wir uns hier befinden, tut sich immer irgendwo etwas.


Rechts oben, hinten liegt Santiago, zwischen den Vulkanen Atitlan und San Pedro


Ich gelange zum zweiten 'mirardor', der Wind bläst böig und frisch, im Lee der Gelländekante finde ich einen Platz an dem ich mich ausziehe und versuche die Oberbekleidung als auch mich in der Sonne zu trocknen. Gleichzeitig stärke ich mich und genieße die gute Aus-Rundum-und Fernsicht. Ich müsste jetzt fast am höchsten Punkt meiner Wanderung angekommen sein, es dürfte in der Folge hauptsächlich bergab führen.


Das tut's dann auch, etwa 900m hinunter nach Tzununa zum Bootssteg. Dabei kreuze ich manche der folgenden Straßenkehren in 'shortcuts' ab und überrasche manche einheimische Mayas beim Lehmhüttenbau. Ich denke mir, hier seid ihr wirklich die 'Unentdeckten'. An ihrer Mimik und Gestik erkenne ich, hier ist noch nie ein Gringo wie ich aufgetaucht. Bei diesen Streifzügen muss ich jedoch natürlich immer etwas aufpassen und wenigstens mit freundlicher Gastgesinnung ausgestattet grüßen. Doch wenn jemand überrascht wird, dann hilft auch das nicht, und schnell kann eine Situation entstanden sein, die herausfordernd ist.


Tief unten Tzununua und die Straße nach San Marcos erkennbar


Sehr bald müsste jetzt ein steiler, kehrenintensiver Pfad hinunter in die Tiefe kommen, sofern meine offline map recht hat. Ich freu mich darauf! Schlussendlich bin ich enttäuscht, denn inzwischen ist das kein Singeltrail mehr, sondern eine breit angelegte Piste, die in die Steilhänge maschinell hineingeschlagen wurde. Für Fahrzeuge irre steil teilweise, absolut grober und harter Schotteruntergrund, ich muss aufpassen nicht auszurutschen. Im Nachbarort, den ich als einen der verstecktesten am See überhaupt halte, klagt eine Frau durch ein Mikrofon, lange Zeit. Es hörte sich ursprünglich noch nach Dorffest an, aber inzwischen bin ich mir dessen nicht mehr sicher. Ein Kia Sportage steht quer in der groben Piste, ein Insasse bereits mit einem Koffer am Fahrbandrand. Die Frau am Steuer versucht den Wagen wenigstens zu retten. Die Räder drehen voll durch. Weiterhin aufwärts zu versuchen hat in dieser Lage keinen Zweck mehr.


Im weiteren Verlauf der angelegten Piste überquere ich Hangrutsche der Böschungen. Völlig klar, wenn man in diesem Terrain versucht eine Straße anzulegen, muss man sich im Klaren darüber sein, dass die größere Herausforderung die Instandhaltung als der Bau selbst ist. Jeder steile Schritt hinunter macht es wärmer, ich erreiche Tzununua, ziehe mich in einem Seitenweglein noch einmal um und freue mich bereits recht auf 'papas fritas'. Obwohl ich das Dorf bereits kenne und weiß, dass das gar nicht so einfach wird, habe ich Hunger und muss irgendetwas beißen, mein Zuckerhaushalt ist inzwischen zu tief gesunken für beste Laune.


Inzwischen sitzt ein Pärchen am Nachbartischchen, die Frau hat ein hübsches Gesicht. Sie ging gerade auf die 'banos'. Dafür zog sie sich die OP- Gesichtsmaske auf, kam damit zurück, und sitzt jetzt wieder bei ihrem Partner am Platz. Jetzt nimmt sie ihre Maske wieder ab und steckt sie ein. Ich erspare mir auch hier wieder ein weiteres Kommentar.


Fast ganz unten im Dorf sehe ich am linken Straßenrand eine Papas-Bude die in Betrieb zu sein scheint, viele andere oben im Zentrum waren es heute nicht. Dahinter ein junges Mädchen in Tracht. Ich begutachte die Chips, sie sehen halbwegs frisch und in Ordnung aus. Mir gefällt, dass der Stand allein von einem Mädchen betreut wird und bestelle eine kleine Portion warmer Pommes. Die Köchin gibt die besten auf so ein Styroportellerchen mit Salz und salsa dulce, also Ketchup. Zahnstocher hat sie keinen mehr. Ich nehme den Happen dankend entgegen und frage noch nach ihrem Namen. Sie antwortet: 'Maria!'

Mit Heißhunger versuche ich jetzt ein Plätzchen zum Sitzen zu finden, vergeblich in der chaotischen Umgebung. Wenigstens kann ich mich aber nun halb anlehnen und picke die Kartoffelstäbchen mit meinen Fingern auf. Die meisten sind warm, andere kalt, aber ich bekomme etwas in den Magen.


Marias Papas-Bude, die sie mit aller Ernsthaftigkeit einer Geschäftsfrau betreibt


Die ganze Zeit schon lässt mich Maria nicht aus den Augen. Ich merke ihr wäre lieber gewesen, dass ich gleich gezahlt hätte. Sie hat noch etwas zu holen, kommt zurück und schaut wieder ob ich eh noch da bin. Inzwischen bin ich fertig mit dem Magentratzer, gehe zur Bude und sage: 'Maria, ich habe heute kein Geld dabei.' Diese Aussage kam allerdings ganz schlecht an. Sie erwiderte sehr beunruhigt: 'Die papas sind kein Geschenk, was glaubst du eigentlich! Ich hole sofort meine Eltern!' Das Mädchen war sehr aufgebracht, ehe ich noch widersprach und 10 Quetzales auf den Kleintresen legte, war auch schon ihr Vater herbeigeeilt, aus dem Busch sozusagen. Er erkundigte sich bei ihrer Dienst habenden Tochter was Sache sei. Im gleichen Moment verließ ich auch schon das Geschehen , denn die Situation war mir zu emotional aufgeladen. Ich sah noch wie sich das Papas-Mädchen freute über das Doppelte an Geld was die Pommes eigentlich kosteten. Auch ohne diese nicht beabsichtigte Aufregung wollte ich ihr dieses Trinkgeld geben.


Ich dachte mir, pass auf, nicht immer ist es lustig. In Afrika bringen sie sich die Leute wegen 10 Cent um, und hier geht's auch beinhart zu. Nach außen immer alles easy-peasy und hinter den Kulissen ist es für viele ein knallhartes Geschäft so eine Familie hochzubringen. Ich habe Respekt davor, was Eltern leisten müssen. Da geht es einfach schlicht nur darum, dass es täglich zu essen gibt, fertig. Dafür müssen alle Kräfte mobilisiert werden.


Gast am Wegrand - Ich liebe Blumen und Blüten


Mein Boot zurück kämpfte sich heute durch ordentliche Wellen. Ich freute mich auf einen Kaffee in der Casa Cakchiquel, die hatte jedoch zu. So rettete ich mich heim, legte mich vorerst einmal ausgepowert bäuchlings auf's Bett, duschte anschließend heiß, um dann ins Cafe Te Quiero hier aufzubrechen.


Genau wo die junge, brünette Amerikanerin vorher saß, zieht nun eine junge Einheimische am Plastikstrohhalm aus einem transparenten Cocktailglas eine giftig-mintfarbene Flüssigkeit. Sie steckt nicht in Jesusschlapfen, nein, es sind weiße Nike Sneakers. Ihr linkes Knie ist völlig offen, obwohl sie eine lange schwarze Hose trägt. Ich weiß nicht wie lange sich dieser bescheuerte Fetzenjeanstrend noch hält. Mit beiden Händen gelichzeitig bedient sie ihr Smartphone. Dabei zutzelt sie weiter wie eine Biene ihren Saft aus dem Cocktailglas mit Stiel. Stil hat das für mich allerdings keinen, oder sagen wir, das ist der weitverbeitete Stil heute.


Mein Cappuchino ist längst leer. Mein Kopf nicht. Meine Schreibhand sollte allerdings Pause machen, finde ich. Danke, Sonntag, wirklich wieder genug erlebt!






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Nach einer Woche meines 'Giro de Lago Atitlan' bin ich wieder auf Ausflug. Tatsächlich erkältete ich mich dabei so, dass mein Körper regenerieren musste. Man weiß intuitiv allermeistens sehr genau was gut für einen ist. Dann bleibt es einem selbst überlassen auf diese innere Stimme zu hören und danach zu handeln.


Bei dieser ausgedehnten Tour von letzter Woche um fast den gesamten See, kam ich auch durch Cerro de Oro. Geologisch und topografisch ist die Gegend gekennzeichnet von einem Minivulkan der als Trabant von Vulkan Toliman direkt nördlich vor ihm steht, in völliger Nähe zum See Atitlan. Am Kleinvulkan soll es einen Fels und eine Stelle geben wo gerne Maya - Zeremonien abgehalten werden. Scheinbar soll sich dort auch eine Tür, ein Tor zur Unterwelt befinden. Also eine Art Höhle. Wie tief sie geht, weiß ich nicht.


Dieser Vulkanhügel der laut seinem Namen direkt übersetzt also 'Gold verschließt', erhebt sich gute 300 Höhenmeter über das hügelige Plateau der Gegend. Sie liegt direkt gegenüber des Sees als Blickfang von Panajachel aus.


Reife Pitaya direkt wild gepflückt


So startete ich mit dem Boot von dort am Morgen nach San Lucas. Diese Crewmitglieder mag ich sehr, sind immer besonders freundlich, nicht aber aufdringlich, das macht Freude. Heute war die Luft etwas trüb, leichte Schleier über dem Firmament, sehr warm, föhnartig. Ich wusste ja bereits wo in San Lucas ich die passenden Pickups Richtung Westen finden würde. Einen Vorbeikommenden sprach ich an, er hatte Santiago als Ziel. Nein, dachte ich, heute möchte ich genau ins Zentrum des Goldvulkanortes. Trotzdem gingen meine Gedanken nach der Antwort neue Windungen und ich war plötzlich mit der brandneuen Idee schwanger, doch fast bis Santiago zu fahren und dann vom Westen her zum Goldort vorzustoßen. Das machte sich noch besser in meinem Kopf, als mein Ursprungsplan.


So kam's, dass ich bald darauf auf einem nächsten Toyota Pickup stand und die herrliche Reise durch die sattgrünen Fluren der abwechslungsreichen, wunderbar gedeihenden Gegend genoss. Diesmal hatte ich aber meine Mütze aufgezogen und doppelt Jacke an, ein anderes Mal wollte ich mir keine Erkältung zuziehen die mich in die Knie zwingt.


Die Pickups haben hier in Guatemala keine Sitzbänke hinten auf der Ladefläche, so wie in Mexiko - Man steht, das find ich viel besser;-)


In der schärfsten Kurve die es auf der Route gibt stoppte ich den Kleintransporter, hüpfte

von der Ladefläche und zahlte vorne beim 'chofer'. Laut meiner Recherche musste von hier aus ein Weg hinunter zum See führen zu einem sehr kleinen Strand. Ein Arbeiter vom Pickup bestätigte mir das, meinte aber, dort ist ein 'chalet'. Also wollte das wohl heißen, es ist privat. Links und rechts von mir die faszinierenden Kaffestauden und dann kurz vor dem See zermatschte ich mit einem gedankenlosen Tritt eine Frucht, die ich bereits kannte, allerdings noch nicht lange. Meiner einer hob das Obst auf und das pinkfarbene Fruchtfleisch der Pitaya stach förmlich in meine Augen. Diese intensive Farbe kenne ich wirklich von nirgendwo her sonst in der Natur. Gut, ausgenommen Blütenfarben, zugegeben.


Sie schmeckt sehr süßlich und ist im Geschmack und der Fruchtfleischart am ehesten vergleichbar mit der Sammelfrucht einer reifen Kiwi. Ich war richtig stolz über dieses Obst gestolpert zu sein und begutachtete nun sein Habitat und wie es als Kaktee wächst.


Alte, vertrocknete Kaffeekirschen neben frischen, grünen auf ein und derselben Staude


Etwas chaletmäßig schaute es dann tatsächlich aus und ich erkannte in der Ferne einen idyllischen Seesteg, probierte aber nicht durch die 'propiedad privada' zu queren, obwohl ich vielleicht gar nicht abgewiesen worden wäre.


Jetzt folgte ein Pfad, verwinkelt, teils steinig, verblockt, schmal, gewunden, interessante Wegführung, wieder vorbei an Kaffee, Mais, Bohnen, Nussbäumen, Avocados und alles in herrlicher Ruhe.

Solche stillen Momente in der Natur liebe ich. Ein Vogel wiederholt seinen Gesang, seinen Ruf, ansonsten nichts, außer völliger Einkalng mit unserem Mutterplanet Erde. Alles in dieser dünnen Membran zwischen Erdoberfläche und Luft in der wir allermeistens als menschliche Lebewesen atmen, dort wo es uns am besten geht.



Als der schmale Trail endete und der Weg breiter wurde, hörte ich wieder menschliche Stimmen. Eine Alte kam mir steil herauf mit ihrer Eneklin entgegen, sie hatte eine grüne Pitaya in der Hand. Ich meinte zu ihr: 'Gut, aber die braucht noch zwei Wochen bis sie reif ist, oder?' Die lustige, originelle, indigene Frau erwiderte: 'Ja, wohl mindestens!' Ihr Gebiss war abgenutzt und lückenhaft, ihre Laune ansteckend. Kurz darauf entdeckte ich gleich links am Wegrand eine Kaktuspflanze mit Pitayafrüchten. Ich dachte mir, hier könnte die Alte ihre herhaben. Eine bereits offene pflückte ich ab und ließ sie mir richtig schmecken. Den Restsaft leckte ich mir noch von meinen klebrigen Händen und war zufriedener als zuvor.


Noch ein wenig später stand ich bei einem Bub der einen relativ neu gebauten Webstuhl bediente. Das bekannte Geräusch hatte mich dorthin gelotst. Er webte ein weiß - rotes, etwa 60cm breites Band, das endlos lang zu werden schien. Viele Kilometer Fäden würde ich beinahe sagen waren auf dem Webstuhl aufgerollt. Behände schob er die 4 Schiffchen in korrekter Reihenfolge durch die gespannten Leitfäden. Ich kommentierte: 'Toll sieht das aus, was du da machst und wie du arbeitest, das gefällt mir! Gehst du auch zur Schule?' Er antwortete: 'Gerade nicht, aber eigentlich schon.' Er sei 13 Jahre jung. Ich fragte weiter: 'Was magst du richtig gern, Fußball? Der Teenager bejahte und lächlete: 'Ja, Fußball spielen.' Ich bestärkte ihn: 'Aber, dass du hier fleißig arbeitest find' ich super, es ist wichtig.'


Juan, 13, bei der Arbeit am recht neuen Webstuhl - super Kerl!


In diesem verschlungenen Workshop waren 8 Einheimische unterschiedlichen Alters beim Weben. In kleinen Räumen, so, dass sie mit dem Webstuhl völlig ausgefüllt waren. Alle angestellt. Ich schätze diese Handarbeit sehr, denn man bekommt ein Gefühl dafür wie viel Arbeit es ist, guten Stoff herzustellen. Mein Großonkel Simon war Weber. Er hatte eine großen Webstuhl in seiner Stube. Leider hab ich ihn nie am Werk beobachten können. Meine Mutter hat bis heute Tücher aus Leinen, also Flachs in Verwendung, den sie selbst am Elternhof angebaut haben, geerntet, verarbeitet und verwebt haben.Schlussendlich hat sie die verschiedenen Stoffe und Tücher in langatmiger, liebevoller Handarbeit bestickt. Sie sehen bis heute super aus.


Kleinkinder rund um mich herum wollten Geld von mir, vom Gringo, das erfüllte ich ihnen nicht. Ich verteilte Zuckerl, auch den zwei erwachsenen Frauen die unterdessen anbei standen. Eine von ihnen hatte ein einmonatiges Baby in ihrem Stoffwickel vor sich eingepackt. Dem Weberjungen gab ich zwei Bonbons und danach noch eine 'propina', ein Trinkgeld von 10 Quetzales. Er freute sich riesig. Die junge Mutter bestätigte mir auch, dass der Junge nicht nur jetzt, beim quasi Demonstrieren gut und fleißig arbeite, sondern überhaupt.


Am Seeufer in Cerro de Oro


Vor der Hütte zielte ein sehr schmaler Durchgang hinunter Richtung See. Dem folgte ich und entspannte am Seeufer auf einem Felsen in herrlicher, sonniger Ruhe. Als ich meine Gedanken wieder gefasst hatte, ging ich zurück hinauf und fragte den Buben noch wie er heiße, denn das hatte ich zuerst ganz vergessen. Er antwortete: 'Juan.' Ich wünschte ihm noch einen guten Tag und suchte nun nach diesem Bananeneis mit Schokoladeüberzug, das ich bislang noch nie probiert hatte. Ein kleiner Bub hatte sechs davon in seinem Plastiksackerl, frisch erstanden. Er hätte mir auch eins verkauft, aber ich hatte nicht passend Münzen parat. 'Aber ich hab' die eh gleich da unten her', fügte der Junge hinzu.


Kurzum, ich fand auf meinem weiteren Weg weder Bananeneis noch frische Pommes, noch ein Cafe oder Minirestaurant, wo ich mich hätte stärken und setzten können. Leicht frustriert stieg ich am Sammelplatz als erster Fahrgast in meinen weinroten, alten Pickup zurück nach San Lucas. Eigentlich wollte ich ja hinauf zum Hausvulkan der das Gold verbirgt und an den Strand. Beides ging sich aber nicht mehr aus. Wir cruisten ganz entspannt durch den Ort, nur zwei Gäste an Bord. 'Will der wirklich mit nur zwei Leuten nach San Lucas?', dachte ich mir. Von der Ladefläche aus sah ich auch die heute ersten, frischen 'papas fritas' in Fett brutzeln, aber zu spät.


Korb voller frisch geernteter Pitayas - Sie werden ziemlich teuer verkauft


Plötzlich ein Clan mit Kindern denen ich zuwinkte, auf der anderen Straßenseite. Der Fahrer wäre fast vorbeigetuckert, aber die wollten alle mit uns mit. Nach der Reihe stiegen die Kinder und erwachsenen zwei Frauen auf die Heckladefläche, sie war nun gut gefüllt. Die Kleinen versuchten fast im Wettbewerb beste Aussichtsplätze an Bord zu ergattern und freuten sich mit mir auf die Freiluft-Guteaussicht-Fahrt. Die Kleinste hatte Glitzerbänder in ihr schwarzes Haar gebunden und war bald so hoch heraufgestiegen, dass sie endlich Sicht nach vorne hatte.


Ich fragte sie nach ihrem Namen. Sie war zu schüchtern zu antworten, aber die Mama oder Tante meinte: 'Jacky!' Ich erwiderte: 'Das ist aber amerikanisch, nordamerikanisch.' Die Frau bestägtigt: 'Ja, das ist es.' Am Sammelplatz im Zielort stiegen alle von Bord, wir zahlten, wünschten uns noch einen 'Buen dia!' und verloren uns im Zentrum von San Lucas. Jeder strömte in seine Richtung.


Cerro de Oro, Ortszentrum und Vulkan vor dem wesentlich mächtigeren San Pedro vom Boot aus


Nach Kaffee, Cola und Pommes schipperte ich zurück nach Panajachel. Welch schlechte Ernährung heute! Wenigstens eine Pitaya war dabei und eine rote Paprika voll Vitamin C. Ansonsten chaotisch. Auf Reisen muss man sehr konsequent sein, damit man sich auch gesund ernährt und genug Bewegung macht. Das gelingt nicht immer, ist aber eine obere Regel die ich einhalten will, damit's mir gut geht.


Der Weberbub Juan made my day, aber auch die zwei Pickupfahrten, die kleine Jacky oder die wunderbar reifen Pitayas. Der Kaffee nicht zu vergessen, die Sonne, die Aussicht von der Kirche des Goldortes, die Stille im Wald, die Ruhe am See und vor allem das Geschenk wieder fast völlig fit zu sein. Danke für diesen Tag! Gracias por eso dia:-)


Pitaya und ihr Kaktuswirt





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Das Mädchen planscht im Wasser und freut sich. Ihre Mutter schwimmt wie ein Hund. Sie haben eine gelbe Schwimmwurst dabei. Das dunkelhaarige Mädchen holt sich gerade ein rosa Handtuch aus ihren abgelegtenTaschen unter dem Weidenstrauch und setzt sich auf den Steg.


Mir gefällt wie autodidaktisch ihre Mutter immer wieder 'schwimmt', ein paar Züge lang. Sie hat ein schwarz-weiß gestreiftes T-Shirt an, viele Einheimische ziehen sich nicht aus wenn sie ins Wasser gehen, ich kenne das aus Afrika. Knapp 20m davor treibt ein Fischer mit seinem Kolzkanu am ruhigen See. 'Kuku' werden diese Einbäume im Dialekt genannt. Mit der linken Hand hält er das Holzruder, mit der anderen führt er sein Netz.


Eigentlich alle Fischer die ich bislang am See beobachtet habe, aber auch die allermeisten Bauarbeiter haben ständig ihre, eine Kapuze über dem Kopf. In dem Falle ist es beim Fischermann ein braunes Sweatshirt mit einem rötlichen Superman Logo auf der Brust.

Der Kahn war einmal grün lackiert, vor lauter Gebrauch scheint nun das Holz wieder deutlich durch.


Inzwischen hocken Mutter und Tochter am Strand, die Füße im Wasser, ihr Gesäß auch noch knapp. Die gelbe Wurst aus Styropor direkt hinter ihnen.

Auf dieser Bank hier saß ich schon mehrere Male und beobachtete das Geschehen ringsum. Wäre ich heute nicht ordentlich erkältet, würde ich selbst ein bisschen im See schwimmen, so ähnlich wie ein Hund:-)


Während zweier offenen Pickup Fahrten auf den Ladeflächen am vergangenen Donnerstag, zog ich mir eine gescheite Unterkühlung zu. Ich hatte verabsäumt eine Jacke überzuziehen, und vorher geschwitzt. Jetzt kuriere ich mich aus. Das dauert einige Tage.


Die Mama hat sich jetzt ihr T-Shirt ausgezogen und versucht sich mit ihrem gelben Handtuch zu trocknen. Das Schwimmmädchen verwendet inzwischen doch einmal die gelbe Styroporschlange zum Planschen. Ein junges Pärchen kam in der Zwischenzeit an den kurzen Holzsteg und spielt mit Handyfotografiererei. Der Bursche in hellen Jeans und schwarzer, dickerer Kapuzenjacke, die junge Frau ebenso mit schwarzer Jacke, darunter trägt sie jedoch ihren traditionell, bunten, klassischen Rock und als Außenaccesoir eine braune Handtasche.


Die Schwimmmama wickelt sich gerade ihren Trachtenrock um die Mitte und auch das bestickte, breite, lange Band, das als Gürtel und Taillenbetonung dient. Sie steht unter dieser jungen Weide, die Schatten spendet. Ihre Tochter sitzt jetzt wieder im Sand, ihr rosa Handtuch um sich geschlungen. Mama hat bereits ihre Sandalen wieder an und scheint aufbrechen zu wollen.


Das Mädchen zittert etwas. Natürlich kühlt die nasse Kleidung den Körper noch mehr aus, als Badesachen. Währenddessen hat das junge Pärchen viel zu bereden. Sie stehen immer noch ganz vorne an der Kante des Steges, etwa einen Meter über dem Wasser.


Bisher waren alle drei großen Vulkane am See frei. Nun hüllen sich die ersten Wolken über Atitlan, den höchsten. Das Planschmädchen hat sich mittlerweile ihre enge Jeans übergestreift, genauso ein neonrosa Shirt. Sie folgt ihrer Mutter und machte gar kein Theater als sie aus dem Wasser musste zum Umziehen. Das überraschte mich ein wenig. Mama hat auch bereits die obligatorische Gesichtsmaske übergezogen und holt noch die gelbe Schwimmhilfe, die sie in eine Brezenform knotet. Auch einen hellen Regenschirm trägt die Frau jetzt, als Stock. Ihre Tochter inzwischen mit Käppi, Brille, Maulkörbchen und ihrem Sportbeutel am Rücken baumelnd. So wandern die zwei Frühbader in ihren weiteren Sonntag.



Der Holzsteg ist aktuell menschlich verwahrlost, das junge Pärchen ging zurück zu ihrem Moped das auf dem Uferweg heroben parkt, unweit von mir. Weil Wochenende und Sonntag ist, cruisen mehrere sogenannte Ausflugsdampfer am See, mit Musik als Entertainment für ihre zahlenden Gäste.


Die vorübergehende Stille am Steg durchbricht nun aber ein Mann mit vielen Kindern im Schlepptau. Die meisten von ihnen sind bereits halb- oder ganz ausgezogen. Das Team hatte Schwimmbekleidung bereits daheim zu unterst angelegt. Es sind insgesamt sieben Kinder, davon nur zwei Burschen. Mittlerweile sind auch schon alle im Wasser, auch der, nennen wir ihn, 'Vater'. Für mich überraschend kam nun aber auch 'Mama' an, mit einem Motorroller, und bringt das wohl jüngste Kind mit. Sie trägt es vor ihrer Brust, es ist im Babyalter.


Wenn das Ganze eine Familie ist, dann bestehen sie aus 10 Personen, 2 Eltern und 8 Kinder. Die Älteste ist vielleicht 10, dazwischen alle Größen und Alter vertreten bis zum Baby im ersten Lebensjahr. Das ist einmal richtig Leben hier!


Die westliche Gesellschaft predigt Wenig-Kinder-haben Erzählungen, die ins Verderben führen, keine Frage. Ohne Kinder kein Leben. Ohne Kinder kein gutes Leben, ohne Kinder kein Überleben.


Auch wenn vielleicht Cousinen dabei sein mögen, es ist ein großer Clan und das finde ich gut. Genauso bin ich auch aufgewachsen in unserer Großfamilie. Wir waren 10 Kinder im Haus, von zwei eng verwandten Familien. Alle zehn Kinder haben dieselben Großeltern und weiteren Ahnen. Die Altersabstände unter uns Kindern sind jedoch nicht ganz so knapp, zwei bis drei Jahrem trennen uns immer wieder. Natürlich auch manches Andere, das ist selbstverständlich und macht das gesunde Konglomerat einer Sippe aus.



Wenn ich diese große Familie am Wasser beobachte, dann denke ich mir, es wäre doch wunderschön Vater zu sein. Ich bin es nicht. Es geht nicht beides. Eine Familie haben und andererseits wie ein Weltenbummler unterwegs zu sein. Ausnahmen bestätigen die Regel. Es gibt Familien die gemeinsam ständig auf Reise sind und so auf- und zusammenwachsen. Kinder großzuziehen ist aber mehr als ein paar schöne Stunden am Strand zu verbringen und alle vergnügt zu sehen.


Mutter und Vater nehmen sich nun beide um das Baby an. Es wird Windel gewechselt. Vater hält anschließend das frisch in Pampers eingepackte, trockene Mädchen in sein Händen. Mama kommt mit der benützten Plastikwattepackung herauf zum Weg zu ihrem Roller. Als sie die Hände wieder frei hat spreche ich sie an: 'Hast du 8 Kinder?? Sie antwortete: 'Nein, 2!' Ich bin etwas enttäuscht. 'Und die anderen?', frage ich. 'Sind Cousins und Cousinen. Drei und drei, von Geschwistern.', meinte die Mutter.


Das junge Pärchen vorne am Steg zu erkennen, beim Fotoshooting


'Schön!', erwiderte ich, 'eine große Familie!' Sie freute sich, dass ich Interesse zeigte und ihre Arbeit und den Clan irgendwo bewunderte. Das tat ich auf jeden Fall. Das Planschen ging weiter für sie. Und ich startete, wie ein Hund, der heute nicht geschwommen war, ohne der Notwendigkeit sich trocken zu schütteln, in meinen weiteren Sonn-Tag.

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